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1. Lesebuch für ländliche Fortbildungsschulen - S. 152

1910 - Wittenberg : Herrosé
152 Vi. Bildung und ihre Bedeutung, Besitz und seine Pflichten. Eine andere Sache beschäftigte oft sein Sinnen. Seine 50 Ziegen einigten und trennten sich fortwährend zu allerlei Zahlgruppen. Diese wechselnden Zahlbilder reizten ihn, dem Aufbait und der Zerlegung, dem Vervielfachen und der Teilung der Zahlen stundenlang nachzu- sinnen. Mit Steincheu setzte er spielend seine Versuche fort und bildete sich allerlei Rechenaufgaben. Glücklich und stolz war er jedesmal, wenn er wieder eine merkwürdige Eigenschaft der Zahlen gesunden hatte. Weiter reizte ihn der Fall des Gießbaches und die Senkung der Halde. Sollte sich der Höhenabstand nicht auch messen lassen? Er- stellte oben und unten zwei Meßstäbe auf und zog zwischen beiden eine wagerechte Schnur. Ob sie aber wirklich ganz wagerecht lief? Das war die Frage, und davon hing seine Meßkunst ab. Lange sann er nach. Da fiel eines Tages sein Blick auf sein gläsernes Trinkhorn. Er sah, wie das Wasser in den beiden aufwärts gebogenen Armen immer gleich hoch stand. „Da habe ich ja die wagerechte Richtung!" rief er erfreut. Er färbte das Wasser mit Bolus rot, daß es besser zu sehen war, stellte das zweihörnige Trinkgesäß in der Mitte zwischen den zwei Meßstäben auf und merkte sich nun die Punkte an der oberen und unteren Meßstange, die mit der Wasseroberfläche in gleicher Höhe lagen. Der Unterschied zwischen dem oberen und unteren Treffpunkte mußte die Steigung oder Senkung der Halde sein. Strecke nach Strecke maß er nun den Abhang und das Gefäll des Gießbaches und stellte aus den einzelnen Posten die Summe fest. Er hatte sich selbst eine Wasser- und Kanalwage erfunden. Auch die Stärke der Wasserkraft inaß er an Steiner: und Fels- blöcken, die er von dem Wasser bewegen ließ. Znn: Wägen der Steine erbaute er sich aus rohen Balken eine 'Wage. Vor dem Wägen schätzte er das Gewicht der Steine erst nach dem Augenmaße und berichtigte dasselbe dann durch Nachwägen. Ebenso übte er sich im Abschätzen der Längen und Höhen. Abends und in der Nacht beobachtete er aufmerksam die Stern- bilder, suchte die Zahl der Sterne in jeder Gruppe festzustellen, umzog diese Gruppen mit bedeutsamen Linien und hatte acht auf die Ver- änderung der Stellung im Laufe der Nacht. So übte er fortwährend sein Auge und sein Nachdenken. Aber überall stieß seine Wißbegierde an Schranken und dunkle Stellen. Und niemand war da, der die Schranken gehobei: und das Dunkle erhellt hätte. Da kam durch ein glückliches Ungefähr das Volksbuch „Lienhard und Gertrud" von Heinrich Pestalozzi in seine Hände. Es schloß ihm eine neue Welt auf. Nicht eher legte er's aus der Hand, bis er auf der letzten Seite angelangt war. Und dann sing er's wieder von vorn an und las es langsamer noch einmal durch. Tag und Nacht gingen ihm die Gedanken des Buches im Kopfe herun:. „Was niuß das für ein Mann sein, der so ein Buch schreiben kann!" dachte er. „Wie muß er das Volk lieben und das Erziehen verstehen! Hin zu ihm! Hin zu ihm!" das war fortan der einzige Trieb und Drang seiner Seele. Von dem Pfarrer erfuhr er, daß Pestalozzi eine Erziehungs-
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