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1. Lesebuch für ländliche Fortbildungsschulen - S. 153

1910 - Wittenberg : Herrosé
Vi. Bildung und ihre Bedeutung, Besitz und seine Pflichten. 153 anstalt auf dem Schloß zu Burgdorf im Emmentale habe, und welche Wege dahin führten. Nun ließ es dem Knaben keine Ruhe mehr. Er mußte zu Pestalozzi nach Bnrgdorf, wie weit und mühsam auch der Weg vom Arlberge bis zur Emme war. Wo die Sehnsucht als Feuer- fäule voraneilt, da kommen die Füße schon nach! In grüner Joppe, kurzen Lederhosen, nägelbeschlagenen Berg- schuhen, mit dem Hütchen auf dem Kopfe, dem Rosenkranz auf der Brust, dem Stecken in der Hand und dem Rucksacke auf dem Rücken, so machte sich der Knabe nach Westen auf den Weg. Viele Tage war er unterwegs. Allerlei Gegenden und Menschen sah er. Überall befragte er sich. Von den Büchen trank er, und wilde Beeren aß er. Nachts blieb er in Feldhütten, unter Felshängen oder bei Sennern. Alle waren freundlich gegen den frischen Knaben mit den klugen Augen. So kam er endlich nach Bnrgdorf und suchte das Schloß auf. Es herrschte drin ein fröhliches Summen und Brummen, wie wenn die Bienen schwärmen. Aber mutig fragte sich der Tiroler Hirtenknabe durch, bis er endlich Pestalozzi, den Vielbeschäftigten, fand. „Herr Pestalozzi," sagte er, „Ihr habt ein Buch geschrieben, das hat mir die Seele gewonnen. Um Gottes und aller Heiligen willen nehmt mich in Euer Haus und laßt mich Euern Schüler werden! Viel- leicht gefällt es Gott, daß ich ein Lehrer in Eurem Sinne werde!" Vater Pestalozzi sah den Knaben an und liebte ihn. Eine wunder- bare Zuneigung erfüllte sein Herz vom ersten Augenblicke an. Der Knabe bot aber auch ein ungewöhnliches Bild. Das Ave Maria als Gruß auf den Lippen, den Rosenkranz auf der Brust, fröhliche Ge- sundheit in der kraftvollen Gestalt, schöne Begeisterung in den hellen Augen, Ernst und Festigkeit in den Mienen, Ruhe und Gewißheit im Herzen, freien Mut zum Streben in Wort und Willen: so stand er vor Pestalozzi, und nie vergaß dieser das Bild. „Sei willkommen, mein Sohn!" sagte Pestalozzi, „woher kommst du?" Dabei legte er seine Hand auf des Knaben Haupt und streichelte sein volles Haar. „Von der Grenze des Tirolerlandes!" war die Antwort. „Ich hörte und las von Eurem Tun. Da hat mir's keine Ruhe gelassen; ich mußte zu Euch, um Euer Schüler und vielleicht ein Lehrer zu werden!" „So bleibe da und werde mir ein lieber Sohn!" sagte Pestalozzi und drückte den Knaben an sich. Dieser aber ergriff seine Hand und küßte sie dankbar. ^ Bald entfaltete der fremde Knabe eine stille, auffallende Tatkraft. Trotz seiner Jugend war er schon in sich geschlossen, fromm, einfach und kraftvoll. Bald überflügelte er alle im Lernen. Besonders war Maß und Zahl seine Welt. Hier fand er bald neue Wege des Unter- richts. Aus dem Schüler wurde ein Lehrer, und zwar der besten einer. Eine Urkraft und eine unbefiegliche Zähigkeit lebten in ihm. Lernen und Lehren waren feine Lust und gingen bei ihm stets Hand in Hand. Fleiß und Gebet hielt er für die Flügel des Lernens. '
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