1910 -
Wittenberg
: Herrosé
- Hrsg.: Schreiber, B., Polack, Friedrich, Krämer, J. B., Rockstroh, J., Stier, K., ,
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Ländliche Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): Jungen
154 Vi. Bildung und ihre Bedeutung, Besitz und seine Pflichten.
So wurde Josef Schmid, der Knabe vom Berge, die stärkste
Stütze von Pestalozzis Anstalt und der Liebling des Meisters. Er hielt
ihn wie einen eigenen Sohn und vertraute ihm zuletzt die Leitung
seines großen, verzweigten Hauswesens an.
Aus Polacks „Vater Pestalozzi".
113. Anstand.
Anstand nennen wir das schickliche Benehmen in allen Verhält-
nissen des Lebens, namentlich in gesellschaftlichen Beziehungen. Der
Alistand muß auf sittlicher Grundlage beruhen und nicht zu einem
mechanischen Nachäffen von Förmlichkeiten herabsinken.
Der wahrhaft Höfliche ist immer bescheiden und vermeidet, sich
vorzudrängen und glänzen zu wollen; fern ist ihm daher ein anmaßen-
der Ton, eine herausfordernde Sprache, eine Unterhaltung, die sich nur
um seine Person dreht. In achtungsvoller Bescheidenheit, in zuvorkom-
mender Dienstfertigkeit, in herzlicher Teilnahme an Leid und Freud'
seiner Mitmenschen bekundet er wahren Anstand, der ebenso fern ist
von übertriebenen Höflichkeitsbezeigungen wie rücksichtslosem und
plumpem Benehmen gegen andere.
Dies sollen auch dir, lieber Leser, die Richtpunkte sein in deinem
Verhalten gegenüber deinem Nebenmenschen. Im besonderen aber
merke dir:
1. Vom Grüßen. — Dein Gruß sei stets ehrerbietig und be-
scheiden nicht bloß deinen Vorgesetzten, sondern allen Personen gegen-
über, denen du einen Gruß schuldest! Zieh deinen Hut oder deine Mütze
anständig und höflich ab, lüpfe nicht bloß, als ob du Spatzen dar-
unter hättest; grüße nicht erst im letzten Augenblicke! Sieh dem zu
Grüßenden bescheiden ins Gesicht; nimm deine Kopfbedeckung immer mit
der Hand ab, die demjenigen entgegengesetzt ist, den du grüßen willst.
Begegnet dir z. B. jemand, so geh rechts vorbei und nimm mit der
rechten Hand den Hut ab; bist du gezwungen, an einer vor dir gehen-
den oder stehenden Person vorüberznschreiten, so tu es an der linken
Seite derselben! Hast du keine Kopfbedeckung auf, oder trügst du etwas
in beiden Händen, so mache eine höfliche Verbeugung!
2. Auf der Straße. — Auf der Straße geh aufrecht, sieh
auf deinen Weg und schlenkere die Arme nicht hin und her. Die Hände
in die Hosentaschen zu stecken oder die Daumen in die Armlöcher der
Weste zu hängen, ist nicht schicklich. Gehst du mit einer höher gestellten
Person, so gebührt dieser die rechte Seite; bei schlechtem Zustande des
Weges überlasse ihr den besseren Teil desselben! Mit Bekannten in
der Mitte der Straße oder des Gehwegs stehen zu bleiben, wodurch
andere Leute gezwungen werden auszuweichen, ist nicht bloß unschicklich,
sondern in einzelnen Städten sogar verboten. Stöcke, Regenschirme usw.
unter dem Arme zu tragen, ist unpassend und auch gefährlich, wenn
eine größere Zahl von Personen aus den gleichen Gehwegen sich be-
wegt. Vermeide es, auf der Straße zu essen! Bist du in einem Pferde-