1910 -
Wittenberg
: Herrosé
- Hrsg.: Schreiber, B., Polack, Friedrich, Krämer, J. B., Rockstroh, J., Stier, K., ,
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Ländliche Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): Jungen
Xi. Die Gemeinde und ihre Pflichten, die Genossenschaft und ihr Segen. 313
Sumpf verwandelten, sondern auch gute Wiesen gewonnen. Man
schritt ans Werk, dämmte den Bach ein, leitete das Wasser in zahl-
reichen Graben ab, und in kurzer Zeit war ein gutes und fettes Futter-
für vermehrtes Vieh und damit auch Dung gewönnet!, an dem das
Dorf immer Mangel gelitten hatte.
Das aber war nicht alles. Wir wissen, daß der Bach viel Gefüll
hatte. Das dem Dorf zunächst liegende erwarb der Doktor und baute
daselbst eine Mahlmühlb, die dem Orte fehlte. Aus weite Entfernung
und auf schlechten Wegen hatten die Bewohner bisher ihre Frucht zur
Mühle fahren müssen. Nun ging er weiter. Grund und Boden der
Gemeindc war nicht so groß, daß die Bewohner hinreichend mit Feld-
arbeit beschäftigt gewesen wären. Er beschloß daher, eine Industrie
in das Dorf zu rufen. Durch den Verkauf eines Teils seines Besitz-
tums an einige unternehmende Kapitalisten wurde auch dies ermöglicht.
Bald sah man die Mauern einer Spinnerei sich erheben, an die sich
später eine Kattunfabrik anschloß. Der Anfang mit derlei Anstalten
war nun gemacht, und da immer noch Wasserkräfte übrig waren, so
gab dies zur Errichtung einiger Hammerschmieden Anlaß. Ohne An-
stände liefen diese Neuerungen aber nicht ab. Schönfelds Einwohner
waren für diese neue Gewerbtätigkeit teils nicht zahlreich, teils nicht
verständig genug, und es mußten daher fremde Arbeiter herbeigezogen
werden, welche man als ebensoviel Mäuler, die dem Ort das Brot
wegessen und die Waren verteuern, mit Neid und Unwillen ansah.
Der Doktor wußte die Aufgeregten zu beruhigen. Es galt aber,
noch in einer andern Richtung allen seinen Einfluß geltend zu machen,
da es sich nun auch darum handelte, die Gemeindegüter, ansehn-
liche Ländereien, auf welche die Armen ihre Kühe und Schafe zur
Weide schickten, teils zu verkaufen, teils auf lebenslängliche Nutznießung
gegen mäßigen Zins zu verteilen. „Das heißt die Gemeinde ruinieren
und die Armen vollends an den Bettelstab bringen," war das Gerede
im Dorf. Der Doktor setzte aber auch dies vermöge seiner Beliebtheit
in der Überzeugung durch, daß sein Vorschlag die beste Auskunft sei,
für die gemeinnützigen Verbesserungen Mittel zu schaffen und wertlose
Weiden in gutes Ackerland zu verwandeln. So wurde denn auf sein
Anraten ein Teil des Gemeindegutes unter die Einwohner verteilt; der
Rest kam zum Verkauf und gelangte in die Hände auswärtiger Eigen-
tümer, die eine bessere Bearbeitung des Bodens einführten. Immerhin
war diese Maßregel bedenklich für das Gemeinwohl und besonders für
die Armen.
Jetzt wendete Herr Auer seine Sorgfalt auch den Wäldern zu.
Da gleichzeitig die Hammerschmieden Nachfrage nach Holz veranlaßten,
so kamen die Forsten bald in schönen Ertrag, und die Bevölkerung fand
auch hier Arbeit.
Mit den gewonnenen Mitteln konnten nun auch diejenigen
Arbeiten in Angriff genommen werden, die den Verkehr des Ortes
nach auswärts erleichtern sollten. In erster Linie mußten die so ver-
wahrlosten Verbindungsstraßen hergestellt werden. Anfänglich
sahen viele auch darin nur Formen zum Besten der Wohlhabenden.
Bald aber, als sie wahrnahmen, wie die Gewerbtätigkeit und Die Fort-