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1. Lesebuch für ländliche Fortbildungsschulen - S. 340

1910 - Wittenberg : Herrosé
340 Xii. Gesetz und Recht. Wandel geregelt und jedem das Maß seiner Freiheit zugewiesen wurde, damit er die anderen nicht in ihren Ansprüchen aus die gleiche Freiheit beeinträchtigte. Und nicht nur mußte bestimmt werden, was als Recht gelten sollte, sondern auch, wer es zu verwalten und dar- über zu wachen habe, daß es tticht übertreten würde. Schon das Zusammenleben nomadischer Hirtenstämme ist un- denkbar ohne gewisse rechtliche Bestimmungen und ohne die Unter- ordnung der Menge unter ein gemeinsames Oberhaupt. Wieviel weniger läßt sich eine aus so vielen und so verschiedenartigen Bestand- teilen bestehende Gemeinschaft denken, wie diejenige, in der wir leben, ohne daß noch eine weit genauere Bestimmung dafür getroffen ist, daß jedem das Seine werde: dem Käufer und Verkäufer, dem Gläubiger und Schuldner, dem Herrn wie dem Diener, dem Untertanen wie dem Fürsten usw. Ein solches streng geordnetes, wohl gegliedertes Ganze aber, worin jedem seine Rechte und Pflichten angewiesen sind und für die Vollziehung beider gesorgt wird, ist der Staat. Mit diesem Worte haben wir die vollkommenste Form des gesell- schaftlichen Zusammenlebens bezeichnet. Wie der Ackerbau die Grund- lage für alle höhere Gesittung ist, so ist der Staat die vollendetste Aus- bildung derselben; alle Güter eines gebildeten Volkes finden in seinem Schoße ihren Schutz und ihre Pflege. Was sollte ans uns werden, wenn plötzlich alles das aufhörte, was wir jetzt an staatlicher Fürsorge genießen; wenn sich außer unseren nächsten Angehörigen niemand mehr um uns bekümmerte; wenn wir Haus und Hof, Handel und Wandel und selbst unser Leben und Sterben dem bloßen guten Willen der Menschen anheimstellen müßten; wenn jeder sich selbst zu schützen hätte und uns keine Obrigkeit be- wachte! Wie schnell wären alle die Güter vernichtet, deren wir uns jetzt erfreuen, wie rasch würden wir in jenen Zustand zurücksinken, wo jeder allein für sich sorgt und nur das Recht des Stärkeren gilt! Was würde aus allen den gemeinnützigen Einrichtungen werden, die jetzt unser Leben fördern und uns Sicherheit oder doch, wenn das Unglück einmal nicht zu verhüten ist, Hl^e bieten, und zwar nicht nur gegen die Eingriffe der Menschen, wie Diebstahl, Mord usw.,' sondern auch gegen zerstörende Naturgewalten, wie Feuers-, Wassers- und Hungersnot, verheerende Krankheiten usw. Es würde sich das Wort Schillers erfüllen: „Nichts Heiliges ist mehr, es lösen sich alle Bande frommer Scheu; der Gute räumt den Platz dem Bösen, und alle Laster walten frei." Und wenn wir etwa meinen wollten, dafür sei der Staat, den sich überhaupt manche fälschlich nur als einen unbequemen Gehieter und Steuerforderer denken, nicht notwendig, das Nämliche ließe sich auch durch eine einfache Verabredung der Bürger untereinander er- reichen: so fragt euch nur, wie lange es mit dem guten Willen aller einzelnen Mitglieder einer solchen Gesellschaft dauern würde, an der jemand nur teilnähme wie etwa an einem Turnvereine oder Sänger-
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