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1. Lesebuch für ländliche Fortbildungsschulen - S. 82

1903 - Wittenberg : Herrosé
82 Hi. Tages- und Jahreslauf, Fleiß und Frömmigkeit. die staubige Landstraße oder in irgend einen öffentlichen Garten, wo das Klappern der Kegelbahnen oder harte Blechmusik den Gesang der Vögel ersetzte! Ach, alle Kinder sind beklagenswert, deren Jugend der bunt gemalte Käfig großer Städte umgittert! Wie innig und sehnsuchtsvoll dringt dagegen auf dem Lande jedes Zeichen des keimen- den Frühlings in das junge Herz! Wie lieb wird die allbelebende Sonne, wenn ihre warmen Strahlen allgemach die lang entbehrten Tummel- und Spielplätze wieder brauchbar machen, und auf dem hochgelegenen Kirchhofe, dicht am Psarrhause, der immer zuerst trocken wird, der Ball wieder an dem altersgrauen Kirchturme hinausfliegt! Wie klingt es süß, das langgeschweiste Horn des Kuhhirten in der Morgenfrühe, den die brüllenden Rinder, langsam aus ihren Ställen und Höfen schreitend, begleiten! Und selbst der langgezogene, gellende Fingerpsiff des Schäfers mit dem langen, eisenbeschlagenen Stocke und dem würdevoll ruhig schreitenden Spitz ihm zur Seite, der, wie sein Herr sagt, verständiger und klüger ist als mancher Mensch, — er ist Musik in den Ohren der Kinder; dazwischen tönt das Geläute der Kirchturmglocke und ruft die Dorfjugend zur Schule. Da summen die Bienen in den Blütenkelchen des Birnbaumes um und über uns und spielen die frischen Morgenlüfte mit dem jungen, saftigen Laube der Weinranken. Überall Leben und Lebenslust; denn der Frühling ist gar zu schön! Und nun gar der Sonntag, ein Frühlingssonntag! O Jugenderinnerung, wie steigst du so golden heraus mit solchem Frühlingsmorgen, wenn die duftberauschten Frühlingswinde sich in den lichtgrünen Baumkronen schaukeln und die blütenweißen Streifwölkchen am blauen Himmel so verlockend in die Ferne weiterziehen! Es ist ein Sonntag-Morgen. Sie wandeln langsam daher aus der Kirche, in der soeben die letzten Töne des Schlußgesangs ver- klungen sind, die Dorfbewohner, Männer und Frauen, die Gesang- bücher unter dem Arme oder in den Händen, alle vorbei dicht an dem baumumschatteten Psarrhause, vor dem schon der Wagen wartet, der den Pfarrer nach den Filialdörsern führen soll, um auch dort die Herzen mit der Labe des göttlichen Wortes zu erbauen. Ich kenne sie alle, die treuherzigen, wettergebräunten, von der Arbeit gefurchten Gesichter der Männer und Frauen, auf die der stille Sonntagsfriede seinen sänftigenden Wtderschein wirft. Hinter dem Garten, da lachen die Wiesen, da blitzt und flimmert in der Morgensonne der große von Schilf und Binsen umrandete See mit seinen weißen Wasserlilien. Da wogen die jungen Roggenfelder wie ein grünes Meer; darunter stehen roter Mohn und Rittersporn. Dahinaus ging es über die Kohl- und Salatbeete, hinaus in die weite Welt, die uns gehörte, so weit sie unseren Blicken offen lag. — Rur auf dem Lande ist Frühling! Und auch der Samstag-Abend, der einem solchen Sonntage vorherging, ist eine freundliche Erinnerung. Ist mir doch heute noch der Sonnabend der liebste Tag der Woche mit seinem freien Schul- nachmittage, mit feinem Feierabend-Läuten, mit den häuslichen Zu-
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