1905 -
Wittenberg
: Herrosé
- Hrsg.: Scharf, Th., ,
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1900
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Unterrichtsanstalt
- Inhalt Raum/Thema: Berufsbildung
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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höchst billig arbeitete. Um das Jahr 1740 machte die einfache Waguhr
der Pendeluhr Platz; bald sing man an, das hölzerne Getriebe durch
Draht zu ersetzen, und endlich um das Jahr 1760 führte man auch
die Metallräder ein. 1768 ward die erste Uhr mit Glockenspiel und
zwei Jahre später die erste musikalische Spieluhr mit Pfeifen hergestellt.
Bunt bemalt mit einer Landschaft, mit grellen Rosen und himmelblauem
Vergißmeinnicht, mit dem messingenen Pendel und den schweren Ge-
wichten, eine alte liebe Erscheinung, deren schwatzhaftes Ticken und
munteres Schlagen die Zeit unserer Kinderjahre in uns wachruft,
blieb die gute Schwarzwälder Uhr mittlerweile ganz unverändert,
während ringsum sich neues Leben entfaltete und die Industrie, durch
die Maschine und Arbeitsteilung mächtig unterstützt, sich anschickte,
neue Bahnen zu wandeln. Erst seit etwa 1850 begann die Schwarz-
wälder Uhr eine vollkommenere Gestalt anzunehmen.
Heute gelten Furtwangen, das mauerumgebene Dillingen und
Föhrenbach als Mittelpunkte des Uhrenlandes; Furtwangen, wo die
feineren Uhren entstehen, rühmt sich selbst seit 1850 einer eigenen
Uhrmacherschule, einer reichhaltigen technischen Bibliothek mit einer
Sammlung von älteren und neueren Uhren, Uhrwerken und Gehäusen,
die den Uhrmachern Gelegenheit geben, nützliche Verbesserungen und
Erfindungen in allen Zweigen ihres Gewerbes kennen zu lernen. So
konnte die Uhrenindustrie bald einen ungeahnten Aufschwung nehmen,
zu fabrikmäßigem Betriebe in großem Maßstabe und selbst zur Ver-
fertigung kostbarer Musikwerke übergehen, wovon bereits im Jahre 1839
das erste Probestück aus dem Schwarzwalde hervorgegangen war. Erst
neuerdings beginnt die „Schwarzwälderin" durch die „Amerikaner Uhr"
zurückgedrängt zu werden, die ihren Hauptsitz im württembergischen
Schramberg aufgeschlagen hat.
Der Schwarzwälder liebte es, bei der Anfertigung seiner Uhren
ganz unabhängig seinen Ideen zu folgen und womöglich jeder Uhr
eine besondere Gestalt zu geben. So konnte sich eine Arbeitsteilung
nur schwer Bahn brechen. Neben den feinsten und elegantesten Uhren
werden selbst heute noch alle Arten einfacher Holzuhren angefertigt,
und besonders im westlichen Teile des Gebirges hat sich diese Art
Hausindustrie ebenso erhalten, wie sie schon vor hundert Jahren
bestand. Hier im Quellgebiet der Donau wohnt noch hier und da der
alte Schwarzwälder Uhrmacher in seinem schindelbedeckten Häuschen
an steiler Bergeshalde. Drinnen arbeitet der Meister in Gemeinschaft
mit mehreren Brüdern oder Söhnen, während die Meisterin mit den
Töchtern, falls sie nicht beim Uhrmachen helfen, entweder zierliche
Strohgeflechte fertigen oder den kleinen Hausstand besorgen. Sonntags
beim Kirchgang wird die fertige Ware auf der „Krätze" dem Uhren-
händler, dem sogenannten Packer, gebracht, der die einzelnen Teile zu-
sammensetzt und sie dann dem Weltmärkte zuführt.
Gefertigt in der Waldeinsamkeit von einem kunstsinnigen, zum
Nachdenken geneigten Volke, haben diese Schwarzwälder Kuckucks-
und Wachteluhren in bezug auf Genauigkeit des Ganzen einen
hohen Grad der Vollkommenheit erreicht. Es gibt Meister im Walde,