1905 -
Wittenberg
: Herrosé
- Hrsg.: Scharf, Th., ,
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1900
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Unterrichtsanstalt
- Inhalt Raum/Thema: Berufsbildung
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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deren Einrichtung und Ausstattung meine volle Befriedigung fanden
und mir Worte der Anerkennung an meinen Freund entlockten.
Der aber wehrte bescheiden ab und erklärte: „Hier siehst du wieder
den vollen Einklang zwischen meinem Willen und des Gesetzes
Vorschriften." Weiter wurde ich bis zu den Bedürfnisanstalten
geführt, die so eingerichtet waren, dass sie für die Zahl der
Arbeiter ausreichten, den Anforderungen der Gesundheitspflege ent-
sprachen und ihre Benutzung ohne Verletzung von Anstand und
Sitte erfolgen konnte. Als ich meinen Führer fragte, ob er mir
Aufschluss über die Einrichtungen in anderen grösseren Betrieben
mit männlichen und weiblichen Arbeitskräften geben könne, sagte
er mir: „In solchen Betrieben sind in besonderem Masse Ein-
richtungen zu treffen und zu unterhalten und Vorschriften zu er-
lassen, die erforderlich sind, die Aufrechterhaltung der guten
Sitten und des Anstandes zu sichern. Bei der Arbeit ist die
Trennung der Geschlechter durchzuführen. Umkleide- und Wasch-
räume müssen für die einzelnen Geschlechter gesondert vor-
handen sein.“
Wir fanden beide diese Vorschriften durchaus berechtigt und
freuten uns der Fürsorge der Staatsregierung gerade für die Er-
haltung guter Sitten und des Anstandes bei den Arbeitern, die
veredelnd auf ihr Denken, Reden und Handeln einwirken muss.
Für die gewissenhafte Durchführung der getroffenen Anordnungen
sorgt, wie mir Herr Karl mitteilte, die Beaufsichtigung der Fabriken,
Werkstätten und Bauten, die ausschliesslich oder neben den ordent-
lichen Polizeibehörden den Gewerbeaufsichtsbeamten zusteht.
In das Wohnzimmer zurückgekehrt, vertieften wir uns noch
mehr in die Sache. Mein Freund hatte mich zu einem Imbiss
eingeladen, den seine soeben heimgekehrte, frische und freundliche
Tochter bereitete. Bald schlug meine Abschiedsstunde.
Manches Treffliche hatte ich gesehen und gehört, und auf dem
Heimwege dachte ich: „Meister Karl ist ein zuverlässiger Freund
und ein musterhafter Arbeitgeber. Kopf und Herz sitzen bei ihm
auf dem rechten Flecke. Wären alle unsere Gewerbetreibenden so
wohlgesinnt und gewissenhaft wie er, dann stände es besser um
unser Handwerk, dann wirkte das Leben und Treiben in der Werk-
statt in erhöhtem Masse veredelnd und vervollkommnend auf den
Nachwuchs.“
82. Verkehr und Ordnung in der Werkstatt.
Wenn der Meister auf Größe, Luft, Erwärmung und Beleuchtung
seiner Werkstatt seine Aufmerksamkeit gerichtet hat, so könnte er in
einer kleinen Werkstatt allen Anforderungen genügt haben. Von seinem
Platze aus vermag er alles zu übersehen; er kann Gehilfen und Lehr-
linge mit Leichtigkeit zu sich rufen oder ihnen Aufträge erteilen.
Schwieriger ist dieses in größeren Werkstätten, wo des Meisters oder
seines Vertreters Stimme unmöglich über den weiten Raum, durch das