1905 -
Wittenberg
: Herrosé
- Hrsg.: Scharf, Th., ,
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1900
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Unterrichtsanstalt
- Inhalt Raum/Thema: Berufsbildung
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Vorwurf hören, er könne wohl besseres tun, als stets solchen Hirn-
gespinsten nachzuhängen, bei denen doch nie etwas herauskommen werde.
Nach jahrelangen, fruchtlosen Versuchen kam ihm der Gedanke,
ob es denn auch notwendig sei, daß die Maschine die Tätigkeit der
menschlichen Hand nachahme, ob denn nicht ein anderer Stich möglich
sei. Er nahm nun zwei Fäden und machte den Stich mittels eines
Webeschiffchens. Sofort wußte er, daß nun erreicht war, was so
lange aü sein Denken und Sinnen gewesen. Im Oktober 1844 konnte
er durch ein rohes Modell von Holz und Draht sich überzeugen, daß
die von ihm erfundene Maschine wirklich nähte. Im Winter 1844/45
arbeitete Howe, nachdem er einen wohlhabenden früheren Mitschüler
Georg Fischer für seine Idee gewonnen hatte, an der Herstellung
einer Maschine aus Stahl, und im Jahre 1845 gingen sämtliche
Nähte zweier vollständigen Anzüge aus seiner Maschine hervor. Diese
erste Nähmaschine ist noch in New-Aork zu sehen, und alle Sachkenner
geben zu, daß kein anderer Erfinder jemals mit dem ersten Versuch
die Idee seiner Nähmaschine so vollkommen und praktisch verwirklicht
hat wie Howe. Es ist ein kleines Ding, die erste Nähmaschine; sie
hat seitdem eine Menge von Veränderungen und Verbesserungen er-
fahren, aber es ist keine der zahlreichen Nachahmungen, die nicht im
wesentlichen auf Howes Maschine beruht — und doch gibt es jetzt
gegen 700 Systeme.
Dir Nähmaschine war erfunden, aber Howes Leiden begann erst.
Er wanderte mit seiner Maschine von einem Schneider zum anderen,
keiner war zu bewegen, ein Kleidungsstück damit zu nähen; alle
fürchteten den Untergang ihres Gewerbes. Da stellte er seine Maschine
in einem großen Kleidergeschäft auf und erbot sich, jede Naht, die
man ihm vorlegen würde, darauf zu nähen. So nähte Howe 14 Tage
lang von früh bis spät für jedermann. Endlich forderte er fünf
der geschicktesten und flinksten Arbeiterinnen auf, mit ihm um die
Wette zu nähen. Zehn Nähte von gleicher Länge wurden hergerichtet,
davon sollten fünf von der Maschine, die übrigen fünf von den
Mädchen hergestellt werden. Der Geschäftsinhaber, der mit der
Uhr in der Hand als Kampfrichter zusah, versicherte, daß die Nähe-
rinnen schneller gearbeitet haben als gewöhnlich, und dennoch war
Howe mit seinen fünf Nähten eher fertig, und seine Arbeit war die
sauberste von allen.
Und noch immer ließ sich niemand zur Anschaffung einer Maschine
bewegen. Howes Freund Fischer, der ihn mit den nötigen Geldmitteln
versehen, Howe und seine Familie monatelang erhalten und mehr als
2000 Dollars der Sache geopfert hatte, verlor den Mut und trennte
sich von Howe, der ärmer und unglücklicher als je in das Haus
seines Vaters zurückkehrte. Nun versuchte er mit Hilfe seines Vaters
in England seiner Maschine Boden zu verschaffen, nachdem ihm dies
in Amerika nicht gelungen war, und schickte seinen Bruder nach London.
Ein englischer Fabrikant kaufte eine Maschine und lud Howe ein,
nach London zu kommen und neue Maschinen zu bauen. Da sich
dem Erfinder keine anderen Aussichten eröffneten, ging er nach London,