1905 -
Wittenberg
: Herrosé
- Hrsg.: Scharf, Th., ,
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1900
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Unterrichtsanstalt
- Inhalt Raum/Thema: Berufsbildung
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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unveränderliche Masse dar und ist einer der unentbehrlichsten Stoffe.
Sie dient zu Tausenden von nützlichen Dingen, vom groben Segel-
tuch bis zu den feinsten Brüsseler Spitzen, vom armdicken Schiffstau
bis zum haarfeinen Faden. Die Zellulose wird durch Pressen und
Durchtränken mit gewissen Flüssigkeiten auf eine hohe Stufe von
Härte, Festigkeit und Leichtigkeit gebracht. In diesem Zustande werden
Räder, Wände u. dgl. daraus hergestellt.
Der Hanf gehört zur Familie der Neffelpflanzen und trägt wie
diese Blüten mit Staubgefäßen und solche mit Stempeln auf ver-
schiedenen Pflanzen. Die Gewinnung des Bastes geschieht wie beim
Lein. Die Fasern der männlichen Pflanze geben eine feinere Faser
als die der weiblichen. Jene werden deshalb auch zu Leinwand (Hanf-
leinen) verarbeitet. Beide Fasern liefern den Hauptrohstoff für Zwirn,
Bindfaden, Seile, Taue, Gurte, Segeltuch und Zeltdecken. Auch in
den Drahtseilen finden sich Hanfeinlagen, die man Hanfseelen nennt.
Die Samen der Hanfpflanze bilden ein beliebtes Futter für Zimmer-
vögel und liefern Hanföl.
Die Baumwolle ist das Samenhaar der Baumwollpflanze,
die namentlich in den Südstaaten der Union, in Mexiko, Südamerika
und Ostindien gedeiht. Die Pflanze gehört zu den Malvengewächsen,
ist meist strauch- oder krautartig, erreicht aber auch die beträchtliche
Höhe von vier bis sechs Metern. Die Anpflanzung muß jedes Jahr
erneuert werden, da die ausdauernden Arten weniger ertragreich sind.
In Nordamerika, das den Markt beherrscht, werden jährlich etwa neun
Millionen Ballen zu je vier Zentnern erzeugt. Da die Faser an dem
etwa erbsengroßen Samenkorn festgewachsen ist, muß sie von diesem
erst gelöst werden, was an Ort und Stelle durch die Egreniermaschinen
geschieht. Je vollkommener der Entkörnungsprozeß vollzogen wird,
desto weniger Reste von zerdrückten Samenkörnern enthält der Stoff,
und desto höher steht er im Werte. Alsdann wird der Rohstoff in
einzelnen Lagen vorgepreßt, in großen hydraulischen Pressen auf einen
möglichst kleinen Rauminhalt zusammengedrückt und, in Jutesäcke oder
Tierhäute eingenäht, versandt. Die Faser, die wie beim Flachs
aus fast reiner Zellulose besteht, ist zumeist weiß mit schwachem Stich
ins Gelbliche oder Graue.
Um uns die weitere Verarbeitung des Rohstoffes anzusehen,
denken wir uns nach Manchester versetzt.
Ein gewaltiger Schlot und ein riesiges Bauwerk, über 800 Fenster
auf jeder Seite, ragen über alle Gebäude empor. Wir treten in die
Riesenfabrik ein. Durch ein Gewirr von Wagen und Gängen kommen
wir endlich in das Arbeitszimmer des Fabrikherrn, der uns einen
Führer mitgibt. Wir stehen bald vor zwei Ungeheuern, in deren
Innern es rast und tobt, wie ein gefesselter Sturm, der alle Wände
des Gefängnisses zugleich vor Wut zersprengen möchte. Das sind die
Bläser. „Was tun sie?" fragen wir den Jungen vor der Maschine.
„Das!" sagt er, indem er eine tüchtige Hand voll Rohbaumwolle aus
dem Ballen reißt, und sie, nachdem er uns den Schmutz, die Holz-
stückchen und Knoten darin zeigt, seiner Maschine gleichsam zu fressen