1905 -
Wittenberg
: Herrosé
- Hrsg.: Scharf, Th., ,
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1900
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Unterrichtsanstalt
- Inhalt Raum/Thema: Berufsbildung
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Nationalität (Sprache, Sitten und Gebräuche) durch Überweisung
von Länderstrecken, in die der Strom der Auswanderung sich er-
giesst, zu ermöglichen und zu erleichtern. Leider hat Deutschland
nicht zugegriffen, als die übrigen Länder Europas weite überseeische
Gebiete der gemässigten Zone für die Ansiedlung in Besitz nahmen,
weil damals alle Blicke aus die um sich greifende Verwüstung im
Innern gerichtet waren. Der Ausbreitung des Deutschtums ist
durch diese Unterlassungssünde alljährlich ein mächtiger, lebendiger
Blutstrahl verloren gegangen, der von fremden Völkern aufgesogen
und verarbeitet wurde. Der völlige Mangel an eigenen Aus-
wandererkolonien macht es erklärlich, dass die neun Millionen
englisch redender Menschen, die man in der Mitte des vorigen
Jahrhunderts zählte, jetzt auf 120 Millionen angewachsen sind,
denen nur etwa 70 Millionen Deutsche gegenüberstehen. Auch die
Kolonien, die wir nach der Errichtung des Deutschen Reiches er-
worben haben, sind leider nicht geeignet, den Überschuss der Be-
völkerung des Mutterlandes aufzunehmen und den Hunderttausenden
von Auswanderern eine deutsche Heimat in fremden Landen zu
gewähren; denn ihr grösster Teil liegt in der heissen Zone und
gestattet wegen seines feucht-tropischen, ungesunden Klimas den
Deutschen keinen dauernden Aufenthalt. In Südwestafrika, das ein
durchaus gesundes Klima hat, steht der Wassermangel, aus dem
die Trockenheit des Klimas sich ergibt, der Gründung grösserer
Ansiedlungen hindernd entgegen. Von einer vernünftigen Be-
wirtschaftung des Bodens durch Besiedlung mit Angehörigen des
eigenen Volkes ist demnach keine Rede. Dieser Ümstand wird
auch die günstige Entwicklung der Kolonien etwas hemmend be-
einflussen, da eine fleissige und tüchtige Bevölkerung das eigent-
liche Kapital eines Landes ist, und der beste Boden ohne Menschen
oder mit unfleifsigen und untauglichen Bewohnern keinen Wert hat.
Aber es war nicht die Sorge für die Unterbringung des Über-
flusses an Bewohnern allein, die der Europäer Augen auf die
fremden Länder lenkte, sondern auch das Bedürfnis nach der Er-
öffnung neuer Erwerbsquellen für den Haushalt der Nation führte
zur Erwerbung von Kolonien. Vor allem ist es nötig, für die
heimische Industrie durch die Besitzergreifung von fremden Länder-
strecken neue Absatzgebiete zu schaffen, die durch die Vergröiserung
des Verbrauchs der heimischen Erzeugnisse die Gewerbtätigkeit des
Mutterlandes heben, Arbeitsgelegenheit und Gewinn erhöhen.
Noch von einer anderen Seite wollen wir unsere Sache be-
trachten. Unsere Industrie ist in der Herstellung von Verbrauchs-
gegenständen so ausserordentlich vielseitig und reich, dass sie alle
Ansprüche befriedigt. Aber der heimische Boden vermag viele
Naturerzeugnisse, deren wir zum Leben brauchen, nicht hervor-
zubringen. In diesen Fällen wenden wir uns an die heisse Zone,
um für die Bedürfnisse Sorge zu tragen, die durch den Ackerbau
der Heimat nicht befriedigt werden können. Dass dieser Teil der
Verbrauchsartikel nicht gering ist, bemerkt jeder, der sich die-