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1. Lesebuch für gewerbliche Unterrichtsanstalten - S. 434

1905 - Wittenberg : Herrosé
434 verhalten, so die Fabrik zum Handwerke. Die Grenze sehe ich darin, daß in der Fabrik ein gebildeter Mann schon durch die bloße Ober- leitung vollständig beschäftigt wird, im Handwerke dagegen diese Ober- leitung dem Unternehmer noch Zeit genug übrig läßt, um auch an der unmittelbaren Ausführung teilzunehmen, was zugleich sein all- gemeiner Bildungsstand durchaus nicht verschmäht. Das Handwerk in seiner blühendsten Periode war streng an Städte und Zünfte gebunden. Im Geiste des Mittelalters könnte man sagen, die Bannmeile mit allen dazu gehörigen Industriezweigen war ein Gesamtlehn der Stadt; die einzelnen Teile dieses großen Ganzen waren den Zünften als Afterlohn gegeben, bis auf einige, die der Rat sich selbst vorbehielt, wie den Ratskeller, die Ratsapolheke, und andere, die jedem Bürger ohne weiteres offen stehen sollten, die sogenannte bürgerliche Nahrung. Eine Menge von Einrichtungen war darauf berechnet, unter den Betreibern gleicher Gewerbe eine ge- wisse Gleichheit festzuhalten, z. B. die vorgeschriebene Maximalziffer der Gesellen oder Lehrlinge, das anbefohlene Reiheumgehen des Be- triebes u. dgl. m. Dagegen hat die Fabrik, mit Ausnahme der so- genannten Realgewerberechte, wie Mühlen, Brauereien usw., die doch meist auf einen nur örtlichen Absatz berechnet waren, von jeher sowohl in der Wahl ihres Ortes wie in der Ausdehnung ihres Betriebes eine mehr oder minder völlige Freiheit genossen. Zwar wurde früher, wenigstens in den Kontinentalstaaten, zur Anlage einer Fabrik gewöhn- lich eine Konzession erfordert; der Staat aber versagte diese nur in solchen Fällen, wo schon bestehende Fabrikprivilegien oder Zunft- gerechtsame direkt dagegen stritten, oder wo man „Übersetzung eines Nahrungszweiges" wahrzunehmen glaubte, oder auch bei holzverzehrenden Gewerben ein zu hohes Anschwellen der Holzpreise gefürchtet wurde. Die beiden letzten Gründe würden heute für den Staat völlig hinfällig sein, da ja das Selbstinteresse des Bewerbers in erster Linie damit rechnen müßte. Daher befolgen gegenwärtig viele Staaten den Grund- satz, die Handwerke zwar, zumal die mit bloß örtlichem Absätze, vor übermäßiger Konkurrenz zu schützen, die Fabriken aber durchaus frei zu lassen. Freilich wird eben damit bei der Wandelbarkeit der Grenz- linie zwischen Fabrik und Handwerk, zwischen Welt- und Lokalmarkt usw., den Großen und Starken das Vorrecht gegeben, ihre Kräfte frei zu gebrauchen, während die Kleinen und Schwachen vom alten Zunftwesen nicht mehr den Schutz, wohl aber den Zwang behalten: einer der stärksten Billigkeitsgründe für Gewerbefreiheit auf höheren Kulturstufen. Roschers Ansichten d. Volksweise. 175. Die heutige Organisation des Handwerks. Mit der Aufhebung des Zunftzwanges und der Einführung der Gewerbefreiheit war das deutsche Handwerk sich völlig überlasten; es trieb, gleich einem Wrack, als untaugliches Schiff auf dem Ozean des gewerblichen Lebens dahin. Und wenn auch hier und da manch einsichtiger und tüchtiger Handwerksmeister in seinem Fache zu Be-
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