1905 -
Wittenberg
: Herrosé
- Hrsg.: Scharf, Th., ,
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1900
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Unterrichtsanstalt
- Inhalt Raum/Thema: Berufsbildung
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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erfahren, daß der Ingrimm mit aller Furchtbarkeit losbrach. Die
Rekruten in ihren blauen Kitteln zogen mit trotzigem, preußischem
Soldatengesang an französischen Regimentern vorüber, denen es anfing
in dem überall glühenden Lande unheimlich zu werden. Indessen
näherte sich auch Kaiser Alexander mit seinem Heere der Stadt Breslau.
Am 28. Februar ward zu Kalifch zwischen Preußen und Rußland ein
Vertrag abgeschlossen, desien Ziel die Wiederherstellung der Unabhängigkeit
Europas war. Die Macht, die Rußland zu Preußens Hilfe herbei-
führte, war nicht bedeutend, denn es hatte in dem Feldzuge von 1812
gleichfalls furchtbar gelitten. Preußen bot Rußland mehr als Rußland
Preußen, aber die deutsche Begeisterung rechnete damals nicht. Am
15. März holte Friedrich Wilhelm seinen hohen Gast in Breslau ein,
unter dem Schall der Glocken, unter dem Jauchzen und Weinen eines
von den heiligsten Gefühlen der Vaterlandsliebe bewegten Volkes.
Zwei Tage darauf, am 17. März, erschien der Aufruf Friedrich
Wilhelms Iii.: „An mein Volk!" „So wenig," heißt es darin, „für
mein treues Volk als für Deutsche bedarf es einer Rechenschaft über
die Ursachen des Krieges, der jetzt beginnt. Klar liegen sie dem
unverblendeten Europa vor Augen. — Brandenburger, Preußen,
Schlesier, Pommern, Litauer! Ihr wißt, was ihr seit sieben Jahren
erduldet habt, ihr wißt, was euer trauriges Los ist, wenn wir den
beginnenden Kampf nicht ehrenvoll enden. Erinnert euch an die
Vorzeit, an den Großen Kurfürsten, an den großen Friedrich! —
Selbst kleine Völker sind für gleiche Güter gegen mächtige Feinde in
den Kampf gezogen; erinnert euch der heldenmütigen Schweizer und
Niederländer! — Es ist der letzte, entscheidende Kampf, den wir be-
stehen für unsere Existenz, unsere Unabhängigkeit, unsern Wohlstand.
Keinen anderen Ausweg gibt es als einen ehrenvollen Frieden oder
einen ruhmvollen Untergang. Auch diesem würdet ihr getrost entgegen-
gehen, um der Ehre willen, weil ehrlos der Preuße und der Deutsche
nicht zu leben vermag. Allein wir dürfen mit Zuversicht vertrauen,
Gott und unser fester Wille werden unserer gerechten Sache den Sieg
verleihen, mit ihm einen sicheren glorreichen Frieden und Wiederkehr
einer glücklichen Zeit!" Am gleichen Tage verkündigte der König
seinem Volke die Errichtung einer Landwehr und des Landsturmes
für das gesamte Preußen. Als Ehrenzeichen für die Tapferen dieses
heiligen Krieges ward vom König am 10. März, dem Geburtstage
der verewigten Königin Luise, der Orden des eisernen Kreuzes gestiftet.
Mit herzlichen Worten hatte sich der König an sein Volk gewendet
und, indem er es zur Mitwirkung an seinem Werke aufforderte, es
mündig gesprochen. In unvergleichlich herrlicher Weise antwortete das
preußische Volk diesem Vertrauen. Das Königreich Preußen, damals
an Einwohnern nicht mehr als fünf Millionen zählend, stellte bis zum
Sommer 1813 ein Heer von 271000 Streitern, also von 18 Seelen
einen Mann zu den Waffen. Gleiches hat nie ein Volk getan. Noch
fehlte es an Bekleidung, Verpflegung, Bewaffnung. Aber es begann
jetzt ein rührender Wetteifer an freiwilligen Gaben. Auch der Ärmste
brachte sein Scherflein. Wo in dem ausgesogenen Lande Geld fehlte,