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1. Teil 3 - S. 113

1891 - Hildburghausen : Gadow
113 Dorfes Jugend fröhlich bis in die Nacht, unter der Linde werden Großvater und Großmutter wieder jung und erzählen ihren Enkeln Geschichten aus der Jugendzeit. Die Linde ist der Baum des friedlichen Beisammen- lebens, der süßen Gewohnheit des Daseins, des gesicherten und geschützten Lebensglücks; sie ist der Baum des Daheim - seins, der überlieferten Sitte, Ordnung und Zucht. Wenn diese verletzt wurde, hielt man in früheren Zeiten auch wohl Gericht unter ihrem Gezweige, wie es unter der Femlinde zu Dortmund geschah. Wie ein schützender Genius steht die Linde vor der Kirche, die ja den Frieden zu verkünden hat, auf dem Schloßplätze der Burg, am Eingänge und in der Mitte des Dorfes und der Stadt, auf der Gemarkung des Feldes. Darum hielt man auch ein Welken und Absterben der Linde für ein schlimmes Zeichen, das dem Burgherrn und seiner Familie, der Stadt und ihrem Gemeinwesen drohe. In Iserlohn leben noch heut- zutage ältere Leute des Glaubens, daß, wenn die letzte der sieben Linden dieser Stadt fallen werde, die Pest herein- brechen und den Ort verwüsten werde. Aber auch auf den Gottesäckern hat dieser Friedens- bäum seine passende Stelle; er trauert nicht wie die Cyprefse und Trauerweide, er erfreut, stimmt das Herz mild und stark. Das Knospen und Grünen der Linde im Frühling, die reiche Fülle ihres Laubes, ihrer Blüten im Sommer, die Farbenpracht des welkenden Laubes im Herbste und dazu die unzerstörbare Kraft des Wachstums durch Jahr- hunderte hindurch, — sind das nicht herzerfreuende Schrist- züge des Lebens, von der Hand des allgütigen Schöpfers selber in das große Buch der Natur geschrieben? Ist es uns nicht, als wohnte es sich auch auf dem Gottesacker so heimlich und traut unter den süßduftenden, schattigen Linden? Der herrliche Baum lebt mit den Menschen, aber er stirbt nicht mit ihnen; er sieht ihre Geschlechter kommen und gehen, treibt aus seinen ältesten Zweigen neue Sprossen und sendet seinen Schatten und Blütenduft weithin über die Wohnungen der Lebenden und Toten. Der Samländer baut zu Pfingsten eine Lindenlaube vor sein Haus, und ist die Zeit des Freudenfestes vorüber, so bricht er sie ab und baut eine zweite von Weidengezweig. Die Walachen tragen zu Pfingsten ein Stückchen Linden- Jtmier Wir. Kindcrsreuud. Hi. Teil. 8
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