1854 -
Saalfeld
: Riese
- Autor: Nitzelnadel, Friedrich August
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch, Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten, Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Antike, Mittelalter
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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schauer in Erstaunen setzen. Besonders merkwürdig sind die in Felsen ein ge-
hauenen Tempelbauten. Die großen Grottenwerke von Ellora (in den
Ghatsgebirgen mitten in Vorderindien), von Salsette bei Bombay und
ans der Insel Elephaute im Meerbusen von Bombay, wo Tempel, Woh-
nungen, Gänge mit Bildwerken und Inschriften über und neben einander
stundenweit in Felsen eingemeißelt sind, sowie die thurmähnlichen Tempel
(Pagoden) erregen die Bewunderung der Reisenden und zeugen von
der hohen Macht des Priesterstandes über ein Volk, das mit aufopfernder
Kraftanstrengung im Dienste der Religion blindlings seiner Leitung folgte.
Der Haupttempel auf Elephante ist 120 Fuß lang und breit; seine Decke
ruht auf hohen Säulen, die aus dem Felsen gehauen sind. Ebenso die
Nebenkammern. Die Wände sind mit Reliefs d. h. Figuren bedeckt, die
fast ganz hervortreten und nur mit dem Rücken am Felsen hängen. Diese
Abbildungen sind aus der indischen Götterlehre (Mythologie) genommen und
mit der größten Sorgfalt im Einzelnen ausgearbeitet. Auf der Insel Sal-
sette ist ein hoher Berg, der durchweg ausgehöhlt worden ist. Der eine
der darin befindlichen Tempel hat 34 Säulen, von denen mehr als die
Hälfte oben mit Elephanten verziert sind. Zwei andere Tempel haben meh-
rere Stockwerke über einander und unzählige Grotten befinden sich rings-
herum. Hier sieht man eine Menge Treppen, Teiche, freie Plätze, und dies
Alles in den harten Felsen gehauen. Das Felsengebirge von Ellora hat
die Gestalt eines Hufeisens, dessen beide Enden eine halbe Meile von ein-
ander liegen. Darin sind Grotten an Grotten, oft in zwei bis drei Stock-
werken über einander. Der größte dieser Felsentempel ist so geräumig, daß
mehrere unserer Hauptkirchen darin Platz fänden. Alles, was die Baukunst
an Größe, Pracht und Verzierungen über der Erde hervorzubringen im
Stande ist, sieht man hier unter der Erde: Vorhöfe, Treppen, Brücken,
Capellen, Säulen und Säulengänge, Spitzsäulen (Obelisken), Thier- und
Menschencolosse und fast an allen Wänden erhabene Bildwerke (Reliefs),
welche indische Götzen und deren Geschichte darstellen. In der Mitte der
Grotte steht ein zweiter kleinerer Tempel, der aus einem einzigen Felsenstücke,
das man stehen ließ, ausgehauen ist. In einer andern Grotte sieht man
wieder einen Tempel, in welchem der Gott Indra und seine Gemahlin
Jndrani sitzen, er auf einem liegenden Elephanten, sie auf einem Löwen,
alle in übernatürlicher Größe. Es scheint hier das indische Pantheon (Tem-
pel aller Götter) gewesen zu sein. In noch andern Grotten findet man
Götterschlachten abgebildet, wo die Streiter theils zu Fuß, theils auf Ele-
phanten reitend oder auf Wagen sitzend erscheinen, mit Bogen, Keulen und
Schwertern bewaffnet. Ja, auf der Küste Koromandel, etwa 6 Meilen
südlich von Madras, in den Palast- und Tempeltrümmern von Mavali-
puram findet sich über der Erde eine ganz in Felsen gehauene alte Königs-
stadt, welche durch ein plötzliches Austreten des Meeres verödet worden
zu sein scheint. Nicht nur Thürme, Dome und andere Gebäude, sondern
auch Löwen, Elephanten und andere Thiere von ungeheurer Größe, Götter-
gestalten mit vier und mehr Armen sind aus Felsen gehauen. Inwendig
sind die Felsen zu Grotten ausgehöhlt, welche Tempel, Säle, Gemächer, selbst
große Herbergen eytbalten. Wir wissen nicht, wenn diese Bau- und Bild-
werke (Sculpturen^, welche nach dem Urtheile von Kennern sich nicht sowohl
durch eigentlichen Kunstwerth, als vielmehr durch den Charakter des Riesen-