1854 -
Saalfeld
: Riese
- Autor: Nitzelnadel, Friedrich August
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch, Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten, Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Antike, Mittelalter
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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junge patrizische Held, der seinen ehrenvollen Beinamen von der Eroberung
der volskischen Stadt Corioti erhalten hatte, war ein heftiger Feind dev
Plebejer. Von dem engherzigen Geiste seines Standes fortgerissen, rieth
er im Senate, eine Hnngersnoth zu benutzen und den Plebejern erst gegen
die Abschaffung der nur eben eingeführtrn Volkstribunen Getreide abzu-
lassen. Die Tribunen, durch die Zumuthung, auf das Heiligste, ihr erwor-
benes Recht, gegen das Gemeinste zu verzichten, aufs höchste ausgebracht,
beriefen den Coriolan, auf eine unerhörte Weise, vor die Volksversammlung
und bewirkten einen Volksspruch, der auf lebenslängliche Verbannung lau-
tete. Der stolze Senator hatte sich nicht so tief demüthigen und auf die
Ladung der ihm so verhaßten Tribunen vor der Volksversammlung erschei-
nen wollen, sondern war zu den römerfeindlichen Volskern geflohen, um
bald zur Rache an der Spitze eines Heeres wiederzukehren, welches ihm
die Volsker anvertraut hatten (491). In Rom selbst herrschte Bestürzung
und Zwietracht, welche Cvriolanns dadurch nährte, daß er die Güter der
Patrizier schonte, die der Plebejer aber schonungslos verwüstete. Unter-
dessen nahm die Bedrängniß der belagerten Stadt zu und die entmuthigten
Bürger wünschten eine Aussöhnung mit dem Coriolan. Eine Gesandtschaft
aus Senatoren, eine zweite aus Priestern bestehend, begab sich in das
feindliche Lager, um ihn zum Abzüge zu bewegen; aber alle Vorstellungen
blieben bei dem harten, stolzen Aristoeraten ohne Erfolg. Endlich, als Ver-
wirrung, Angst und Bangigkeit in der belagerten Stadt den höchsten Grad
erreicht hatten, machten sich seine Mutter Veturia und seine Gattin Vo-
lumina mit ihren Kindern und den angesehensten römischen Frauen auf und
erschienen vor dem trotzigen Manne mit Bitten und Thränen. Diesem
Anblick konnte das bisher unbeugsame, unerbittliche Herz nicht länger wider-
stehen, er entließ sie mit freundlicher Milde unter den Worten: „Mutter!
Mutter! Rom hast du gerettet, aber ich bin verloren!" — und sich selbst
und seine Rachsucht überwindend, führte er das Heer der Volsker zurück.
Aber nun traf ihn die Rache Dieser, welche ihn in einer Versammlung
steinigten.
Jedoch gab es auch schon damals einzelne Patrizier, welche den Ple-
bejern freundlich entgegenkamen, wie der Consul Spurtus Cassius,
welcher den Vorschlag that (486), auch unter die Plebejer die eroberten
Ländereien zu vertheilen, welche seit des Tarquinius Vertreibung die Pa-
trizier allein sich angeeignet hatten. Aber fürs erste wußten die Patrizier
diesen Vorschlag noch zu hintertreiben und erklärten den Cassius als Ver-
räther, ja verurtheilten ihn nach geendetein Consnlate zum Tode. Allein
an dem süßen Gedanken der Ackervertheilung hatten die Tribunen einen
Hebel, mit welchem sie auch den Haufen der Gemeinsten leicht in Bewe-
gung sehen konnten, der für gleiches Recht wohl keinen Sinn hatte, aber
für gleichen Besitz. Kurz nachher erkämpfte der Tribun Volero dem Volke
(der Plebs) das Recht, in Tribus-Versammlungen über alle öffentlichen
Angelegenheiten, ohne Einmischung der Patrizier, sich zu berathen und
Beschlüsse zu fassen, die freilich erst mit Zustimmung des Senates Gesetzes-
kraft erhielten.