1854 -
Saalfeld
: Riese
- Autor: Nitzelnadel, Friedrich August
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch, Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten, Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Antike, Mittelalter
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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den vom Tode dahingerafft. Endlich erkrankte auch der König selbst so
heftig, daß er seinem Ende entgegensah. Durch fromme Uebungen, die er
nur durch Abfassung weiser Vorschriften zum Vermächtniß an seinen Sohn
und Nachfolger Philipp unterbrach, bereitete er sich zum Tode vor und ver-
schied in einem Alter von 56 Jahren mit den Worten David's: „Herr, ich
will in dein Haus gehen; in deinem heiligen Tempel will ich anbeten und
deinen Namen verherrlichen." Zwar landete nach des heiligen Ludwig Tode
Karl von Anjou mit einem Heere bei Tunis und schlug die Sarazenen in
zwei Treffen, aber durch eine Summe Geldes ließ man sich vom weiteren
Vorschreiten abbringen, und die Unternehmung hatte damit ein Ende.
Dieses war das letzte größere Unternehmen in der Reihe der Kreuz-
züge, und wie sehr auch die Päpste auf neue Kreuzfahrten drangen und
auch Könige, Fürsten und Ritter zur Annahme des Kreuzes bewogen, der
Ernst der Begeisterung war erloschen und es blieb bei dem leeren Verspre-
chen. In Palästina selbst brachte auch die größte Noth die Christen nicht
zur Besinnung und zur Eintracht, im Innern der christlichen Städte wüthe-
ten Eifersucht und blutige Fehden fort und am 18. Mai 1291 stürmten die
Sarazenen Aegyptens Ptolemais (St. Jean d'acre) nach einer
heldenmüthigen Vertheidigung. Die übrigen Städte an der syrischen Küste
gaben die Ordensritter freiwillig auf und zogen sich nach Cypern zurück,
von wo verdrängt die Johanniter sich nach Rhodus (1310) und späterhin
nach Malta begaben.
So endigte nach einer Dauer von zwei Jahrhunderten jene merkwür-
dige, fast das ganze christliche Europa umfassende Bewegung, welche zwar das
nächste Ziel nicht für lange Zeit erreichte, aber dennoch unter Gottes Leitung
die heilsamsten Folgen hinterließ. Denn diese große und allgemeine Erschüt-
terung sprengte die Ketten, welche den Menschen von dem Menschen trenn-
ten, rief alle Klassen der Gesellschaft zu demselben heiligen Zuge auf und
erweckte auch unter der niedrigsten und gedrücktesten Menscheicklasse den
Gedanken der Freiheit, indem unter der Fahne des Erlösers Alle als Gleiche
erschienen, als sündige Menschen und Eines Heiles theilhaft. Die Kreuz-
züge trugen mächtig dazu bei, die große Idee der christlichen Kirche, nach
welcher alle Völker und Staaten der christlichen Welt in Gemeinschaft neben
einander stehen sollten, mehr ins Leben zu führen, eine größere völkerrecht-
liche Verbindung der Staaten und durch gegenseitige Reibung die nationale
Ausbildung der Völker Europas zu bewirken. Durch den Anblick so ganz
verschiedener Länder und Völker, Sitten, Gebräuche und Bildungsstufen
wurde der Gesichtskreis der kreuzfahrenden Völker erweitert, neue Ideen
gewonnen, die Künste, Wissenschaften, Gewerbe, Natur- und Kunstproducte
des Morgenlandes nach dem Abendlande verpflanzt, dem Handel und Ver-
kehr neue Straßen eröffnet und in jeder Beziehung für die Entwicklung des
Geistes und der Bildung Raum gewonnen.
§ 66. Das Mittelalter auf seiner Höhe.
I. Papstthum und Kaiserthum.
Wir sind hier mit unserer Erzählung bei dem Puncte angelangt, wo
das Mittelalter seine Höhe erreicht hat und ein anderer Geist sich zu regen