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1. Welcher die Geschichte des Alterthums und des Mittelalters enthält - S. 314

1854 - Saalfeld : Riese
314 drohende Gefahr des Scheiterhaufens konnte den standhaften Bekenner zur Verleugnung der evangelischen Wahrheit bewegen. Endlich am 6. Juli — es war gerade sein sechsundvierzigster Geburtstag—kam die ganze Kirchen- versammlung zu ihrer fünfzehnten allgemeinen Sitzung zusammen, um über Huß Gericht zu halten. Der Kaiser selbst erschien in seinem Schmucke, von den Reichsfürstcn und der ganzen Ritterschaft begleitet; er saß mit einer goldenen Krone auf einem königlichen Stuhle, zu seiner Rechten der Kurfürst Ludwig von der Pfalz mit dem Reichsapfel, zu seiner Linken der Burggraf Friedrich von Nürnberg mit dem Schwerte. N§ck> einem sehr feierlichen Gottesdienste forderte der Bischof Jacobus von Lodi in seiner Rede den Kaiser auf, sich durch Ausrottung aller Ketzereien und besonders dieses ver- stockten Ketzers unsterblichen Ruhm zu erwerben. Johannes Huß lag wäh- rend der Zeit betend aus seinen Knieen. Darauf las man laut die ketze- rischen Artikel vor, welche man in seinen Schriften wollte gesunden haben, und obgleich er im Namen des allerhöchsten Gottes bat, ihn ruhig anzu- hören, um sich wenigstens vor den Umstehenden gegen den Vorwurf der Ketzerei zu rechtfertigen, gebot man ihm doch Stillschweigen. Als man seine Berufung von dem Concil auf Christus als eine Verspottung der kirchlichen Autorität ansah, rief er: „Siehe, mein guter Jesus, was du den Deinen befohlen hast, das wird von meinen Feinden verdammt! Ja, ich berufe mich auf dich, weil dich Keiner durch Geschenke bestechen, durch falsches Zeugniß oder List Keiner täuschen kann!" Dann blickte er den Kaiser an und erin- nerte ihn an das ihm gewordene sichere Geleite. Sigismund erröthete und — schwieg. Endlich erfolgte das Urtheil der Versammlung und lautete dahin, daß Huß als ein unverbesserlicher Ketzer seines Priesteramtes entsetzt und dann der weltlichen Obrigkeit zur Bestrafung übergeben werden sollte. Jetzt wurde der also Verurtheilte mit dem vollen priesterlichen Schmucke bekleidet, auf ein Gerüst inmitten des Saals an einen Pfahl gestellt und, als er noch einmal zuin Widerruf aufgefordert, vor dem Volke mit Thränen in den Augen seine Unschuld und die Wahrheit seiner Sache betheuert hatte, vom Gerüst herabgerissen und mit gewissen Flüchen von den dazu verord- neten Bischöfen seines Ornats entkleidet. Als man ihm den Abendmahls- kelch aus der Hand nahm mit den Worten: „Wir nehmen dir, verdammter Judas, den Kelch des Heils," antwortete er: „Aber ich vertraue auf Gott, meinen Vater, den Allmächtigen, und meinen Herrn Jesus Christus, für dessen Namen ich dieses trage, daß er den Kelch seines Heils nicht von mir nehmen wird, und ich habe die feste Zuversicht, daß ich ihn noch heute in seinem Reiche trinken werde." Darauf setzte man ihm eine hohe papierne Krone auf, welche mit Flammen und drei Teufeln bemalt und mit der Auf- schrift: „Das ist ein Erzketzer!" versehen war. Zuletzt sagten die Bischöfe: „Jetzt übergeben wir deine Seele dem Teufel!" „Ich aber," antwortete Huß, „befehle dieselbe meinem gütigsten Herrn Jesus Christus!" Hierauf nahm ihn die weltliche Obrigkeit, im kaiserlichen Aufträge der Kurfürst Lud- wig von der Pfalz, in Empfang. Dieser übergab ihn dem Stadtvogt von Kostnitz und dieser dem Nachrichter und seinen Knechten, welche ihn unter einem Geleite von 800 Gewappneten, außer den Fürsten und Herren, und unter einem großen Zulauf des gemeinen Volks nach dem auf einer Rhein- insel gelegenen Richtplatz abführten. Auf dem Wege dahin sah er lächelnd vor der Thür der Kirche seine Bücher verbrennen und betete mit solcher
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