1900 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Windmöller, Friedrich, Schürmann, Franz
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1881
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Berufsbildung
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Brasilien und für das ganze spanische Südamerika von der höchster: Bedeutung
geworden ist. Das Maultier ist für den Verkehr und die Fortschaffung der
Waren, für die Verbreitung der Gesittung, für Ansiedlung, für den Handel
und für das Dasein der Wünschen in jenen Gegenden von unberechenbarem
Werte. Seine Stärke, seine Zuverlässigkeit, Vorsicht und Besonnenheit sind
Eigenschaften, die ihm für diese Bestimmung mancherlei Vorzüge vor dem
zwar weit edleren, aber weit empfindlicheren, leidenschaftlicheren Pferde und
natürlich auch vor dem schwächeren Esel geben.
Es giebt indes viele große Erdstriche, sowohl im hohen Norden als in
den Wüsten der heißen Länder, in denen weder die Kraft des Pferdes, noch
die Ausdauer seiues Stiefkindes, des Maultiers, ausgereicht habeu, und es
sind dort andere Tiere an deren Stelle getreten, um die Ausbreitung des
Menschengeschlechts zu fördern.
Wo in den Einöden des eisigen Nordens der künnnerliche Pstanzeuwuchs
selbst dem genügsamsten Menschen, wenn er allein bliebe, das Bestehen
unmöglich machen würde, da fühlt doch das von dürftigen Moosen, harten
Flechten und Sträuchern genährte Renntier sich wohl und gewährt dem
Menschen Lebensunterhalt und Wanderkraft. Weder mit unseren Schaf- und
Rinderherden, noch zu Roß hätte der Mensch die Tundren Sibiriens und die
Moosheiden Lapplands bewältigen können. Nur mit den: Renntier, das ihr
Pferd, Rind und Schaf zu gleicher Zeit ist, das ihnen Milch und Nahrung
giebt, mit dessen Fellen sie ihren Leib schützen und ihre Hütten decken, das
sie reiteil und vorspannen, das den Mittelpunkt ihres ganzen Lebens bildet,
haben die Lappen, die Samojeden und Eskimos und noch andere Völker sich
bis in die Nähe des Nordpols hin zu verbreiten vermocht. Ohne das Renntier
wären zahllose Inseln und Halbinseln ohne menschliche Bewohner geblieben.
In ähnlicher Weise ist für den heißen und wüstenreichen Süden wiederum
durch ein ganz anderes sehr wichtiges Tier, nämlich durch das Kamel gesorgt
worden. Dieses wunderbare Geschöpf scheint in seinem ganzen Körperbau und
Geblüt vom Scheitel bis zur Zehe darauf berechnet, einen geborenen Last-
träger und Wanderer in der Sandwüste abzugeben. Sein Leib ist knochig,
schwielig, sehnig. Und wie sein Knochengerüst, so ist auch selbst sein Rachen
und seine Zunge noch mit harten Drüsen belegt. Beide paffen vortrefflich
zu den stacheliger: Disteln und Dornen, den starren Gräsern und den holzigen
Gesträuchen der Wüste. Schor: wegen dieser harten Kost ur:d rvegen seiues
weicher: Maules wäre das Pferd zu weiten Reisen und Beförderungen von
Waren in der Sahara nicht geeignet. Die Natur hat dein Kamele ferner
einen Vorratsrauin gegeben, zun: Zusammer:halten und zur Aufspeicherung
und allmählichen Verwendung des wenigen Wassers, das ihm in den Oasen
nur zu Zeiten geboten wird. Und selbst sein wunderlicher Höcker ist eine
auf heißes und trockenes Klima berechnete Beigabe. Denn dieser Höcker ist
ein Fettspeicher, von dem es lebt in der Zeit der Not. Nur durch ein so
eingerichtetes und gceigrwtes Tier, dem dann noch eine über die Maßen geduldige,
dem des Maultiers ähnliche Gemütsart zu teil wurde und das überhaupt so
viele gute Gaben besitzt, daß die Araber ihm in ihren Lobliedern hundert
schmeichlerische Beinamen geben, durch dieses „Schiff der Wüste" ist es dem
Menschen möglich geworden, alle Gefahren und abenteuerlichen Wanderungen
in den Sandmeeren der heißen Länder zu überwinden und fernwohnende
Völker miteinander zu verbinden, die ohne dasselbe nie in Verbindung gekommen
wären. Kaum hat ein anderes Tier — mit alleiniger Ausnahme des Pferdes —