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1. Teil 1 - S. 122

1891 - Essen : Bädeker
r — 122 — der eine dieses, der andere jenes Gewerbe trieb und sich zunächst ein Tausch- handel entwickelte; wenn dadurch die Fragen über das „Mein und Dein" immer schwieriger wurden; wenn endlich unter den durch ihre Wohnsitze verbundenen Köpfen auch unruhige waren, welche in Schranken gehalten und nötigenfalls durch Strafen von der Wiederholung ihrer Ruhestörungen und Missethaten abgeschreckt werden mußten: so ist leicht einzusehen, daß es fester Gesetze bedurfte, durch welche Handel und Wandel geregelt und jedem das Maß seiner Freiheit zugewiesen wurde, damit er die andern nicht in ihren Ansprüchen auf die gleiche Freiheit beeinträchtigte. Und nicht nur mußte bestimmt werden, was als Recht gelten sollte, sondern auch, wer es zu verwalten und darüber zu wachen habe, daß es nicht übertreten würde. Schon das Zusammenleben nomadischer Hirtenstämme ist undenkbar ohne gewisse rechtliche Bestimmungen und ohne die Unterordnung der Menge unter ein gemeinsames Oberhaupt. Wieviel weniger läßt sich eine aus so vielen und so verschiedenartigen Bestandteilen bestehende Gemeinschaft denken, wie diejenige, in der wir leben, ohne daß noch eine weit genauere Bestimmung dafür getroffen ist, daß jedem das Seine werde: dem Käufer und Verkäufer, dem Gläubiger und Schuldner, dem Herrn wie dem Diener, dem Unterthanen wie dem Fürsten re. Ein solches strenggeordnetes, wohl- gegliedertes Ganze aber, worin jedem seine Rechte und Pflichten angewiesen sind und für die Vollziehung Leider gesorgt wird, ist der Staat. Mit diesem Worte haben wir die vollkommenste Form des gesellschaft- lichen Zusammenlebens ausgesprochen. Wie der Ackerbau die Grundlage für alle höhere Gesittung, so ist der Staat die vollendetste Ausbildung derselben; alle Güter des Kulturlebens finden in seinem Schoße ihren Schutz und ihre Pstege. Was sollte ans uns werden, wenn plötzlich alles das aufhörte, was wir jetzt an staatlicher Fürsorge genießen; wenn sich außer unsern nächsten Ange- hörigen niemand mehr um uns bekümmerte; wenn wir Haus und Hof, Handel und Wandel und selbst unser Leben und Sterben dem bloßen guten Willen der Menschen anheimstellen müßten; wenn jeder sich selbst zu schützen hätte und uns keine Obrigkeit bewachte! Wie schnell wären alle die Güter vernichtet, deren wir uns jetzt erfreuen, wie rasch würden wir in jenen Zu- stand zurücksinken, wo jeder allein für sich sorgt und nur das Recht des Stärkeren gilt! Was würde aus allen den gemeinnützigen Einrichtungen werden, die jetzt unser Leben fördern und uns Sicherheit oder doch, wenn das Unglück einmal nicht zu verhüten ist, Hülfe bieten, und zwar nicht nur gegen die Eingriffe der Menschen, wie Diebstahl, Mord re., sondern auch gegen feindliche Naturgewalten, wie Feuers-, Wassers- und Hungersnot, ver- heerende Krankheiten re. Es würde sich das Wort Schillers erfüllen: „Nichts Heiliges ist mehr, es lösen sich alle Bande frommer Scheu; der Gute räumt den Platz dem Bösen, und alle Laster walten frei." Und wenn wir etwa meinen wollten, dafür sei der Staat, den sich über- haupt fälschlich manche nur als einen unbequemen Gebieter und Steuerforderer denken, nicht notwendig, das nämliche ließe sich auch durch eine einfache Verabredung der Bürger untereinander erreichen: so fragt euch nur, wie
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