1905 -
München [u.a.]
: Oldenbourg
- Hrsg.: Rohmeder, A. F., Loeßl, Vinzenz, Zwerger,, Fr.
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Kaufmännische Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde?
- Geschlecht (WdK): koedukativ
88. Das Gesetz.
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hau36 verbüsst werden, oder 4. die Todesstrafe, welche das Staats-
oberhaupt durch seine Gnade in Zuchthaus auf Lebensdauer
umwandeln kann. Auch ist der ganze oder teilweise Erlass aller
anderen Strafen der Gnade desselben anheimgegeben. In den
meisten Fällen ist es erforderlich den Angeschuldigten während
der Untersuchung in Haft zu nehmen. Kein Angeklagter darf
ohne Untersuchung verurteilt werden. Jeder Angeklagte hat das
Recht sich selbst zu verteidigen oder durch einen Rechtsbeistand
sich verteidigen zu lassen. Alle Verhandlungen, in welchen eine
Verurteilung oder Freisprechung erfolgen muss, sind öffentlich.
Jeder Verurteilte hat das Recht sich an die Gnade des Fürsten
zu wenden.
Ausser dem Strafgesetze gibt es noch Verwaltungs-, Kirchen-
und Schulgesetze; vorzüglich aber hat das Allgemeine Bürger-
liche Gesetz oder das Zivilgesetz Anspruch darauf, in der Haupt-
sache bekannt zu sein, da der Satz gilt: Unkenntnis der Gesetze
schützt weder vor Schaden und Nachteil noch vor Strafe.
Während die Grundlage des bisherigen bürgerlichen Gesetzes
das römische Recht bildete, stützt sich das neue deutsche Bürger-
liche Gesetzbuch, das mit dem Jahre 1900 in Kraft getreten ist,
vorzugsweise auf deutsche Rechtsanschauungen.
Das Zivilgesetz nimmt zunächst auf die Familie Rücksicht
und behandelt alle die Verhältnisse, welche zwischen Eheleuten
unter sich, zwischen Eltern und Kindern und zwischen Ver-
wandten vorkommen können. Dahin gehören z. B. Besitz-
bestimmungen über das Familieneigentum, die Verbindlichkeit
zur Ernährung und Versorgung der Familie, die väterliche
Gewalt, der Zwang zur Erziehung der Kinder, die Rechte der
Witwen, das Erbrecht der Kinder, die Erbfolge in der Verwandt-
schaft, die Vormundschaft über Unmündige, die Versorgung
Unzurechnungsfähiger, und wie die Fälle alle so unterschiedlich
im Familienleben vorkommen mögen.
Von der Familie wendet sich das Zivilgesetz zum Gemeinde-
und Staatsleben und schützt vor allem das Leben und die Sicher-
heit des einzelnen wie der Gesamtheit nicht nur vor der direkten
Gewalt der Roheit (z. B. Mord, Totschlag, Körperverletzung, Ent-
ziehung der Freiheit u. s. f.) sondern auch vor der indirekten
Schädigung durch Vernachlässigungen und Leichtsinn oder Bös-
willigkeiten (z. B. Verkümmerung durch ungenügende Nahrung,
Überanstrengung, Beschädigung durch Nachlässigkeiten bei