1905 -
München [u.a.]
: Oldenbourg
- Hrsg.: Rohmeder, A. F., Loeßl, Vinzenz, Zwerger,, Fr.
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Kaufmännische Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde?
- Geschlecht (WdK): koedukativ
157. Das Kabel.
263
Ms man jedach durch die reichen Erfahrungen und glücklichen Ergebnisse
sovieler Versuche an Einsicht und Mut gewonnen, ließ anck die Ausführung
dieses Planes nicht mehr lange auf sich warten. Die Gebrüder Field in
Neuyork regten zuerst den Gedanken an. Vor allem erkundigten sie sich,
ob die Tiefenverhältuisse des Meeres zwischen Neufundland und Irland die
Versenkung eines Kabels ausführbar erscheinen. ließen. Diese Frage wurde
von der nordamerikanischen und englischen Marine gelöst, indem durch ihre
Untersuchungen festgestellt wurde, daß die Senkung des Meeresbodens nicht
unter 5000 Meter hinabreicht, somit der Legung des Kabels kein Hindernis ent-
gegenstehe. Dennoch riß das erste Kabel schon bei 4100 Meter Tiefe, nachdem
334 englische Meilen desselben gelegt waren. Im Juni 1858 war aber schon
wieder eine neue Expedition ausgerüstet. Diesmal wurde die Legung des
Kabels von der Mitte des Ozeans aus gleichzeitig nach beiden Seiten hin
vorgenommen. Nach zwei Kabelbrüchen mußte man jedoch unverrichteter
Dinge zurückkehren. Noch im selben Jahr schritten die mutigen Unternehmer
zum dritten Versuch. Allerdings gelang es nun am 5. August, das eine
Kabelende an der irischen Küste und das andere an der Ostküste Nenfundlands
zu landen; doch kaum waren etwa vierhundert Depeschen zwischen Europa
und Amerika ausgewechselt worden, als Unregelmäßigkeiten eintraten und das
Kabel am 20. Oktober gänzlich schwieg.
Trotz des abermaligen Mißlingens hielten die englischen und amerikanischen
Ingenieure an der erfolgreichen Ausführung ihres Unternehmens fest. Aber
es dauerte bis zum Jahre 1864, ehe man die Summe von 700000 Pfund
Sterling aufbrachte, welche das neue Kabel kostete. Dieses Tiefseekabel kaun
als Muster einer vollkommenen unterseeischen Telegraphenleitung dienen. Den
Kern des Kabels bildet die Metallader, bestehend aus einem Strang von
sieben Kupferdrähten, welche eine ununterbrochene Leitung ermöglichen, selbst
wenn Fehlstellen irgendwo sein sollten. Ehe man diesen Strang mit Gutta-
percha überzog, wurden mit einer dickflüssigen Mischung aus Guttapercha,
Holzteer und Harz (Chatterton Compound) alle Zwischenräume zwischen den
Drähten ausgefüllt. Nun erst kam die erste Lage Guttapercha, „ dann folgte
eine Lage Compound und so fort, bis der Leitungsdraht vier Überzüge von
Compound und vier von Guttapercha erhalten hatte. — Während und nach
der Fabrikation wurden die sorgfältigsten Proben betreffs Leitung und Iso-
lierung angestellt und immer mit dem besten Erfolg, weshalb man nun
daran ging die schützenden Eisendrähte herumzulegen; zuvor erhielt die
Guttaperchahülle aber noch eine gegen die Drähte schützende Decke von Garn.
Endlich wurden als letzte Hülle zehn Eisendrähte, von denen jeder mit fünf
Strängen geteerten Manilahanfes bekleidet war, spiralförmig um die Garn-
decke gelegt.
Ein ganzes Jahr hatte man an dem Riesenkabel — es war 2300 See-
meilen laug — gearbeitet und zur Aufnahme ein Riesensahrzeug, den Great
Eastern, eingerichtet. Am 23. Juli 1865 wurde das Ende des Küstenkabels
mit dem Anfang des Tiefseekabels verbunden und nun begann die Ver-
senkung. Doch auch diesmal versagte das Glück; in einer Entfernung von
638 Seemeilen von Valencia bei Irland zerriß es, nachdem 707 Meilen des
Kabels gelegt waren, und alle sofort angestellten Versuche mit Enterhaken es
wieder aufzufischen mißlangen; es blieb in 5000 Meter Tiefe liegen. —
Und abermals wurde an die Herstellung eines neuen Kabels gegangen und
schon am 13. Juli 1866 steuerte der Great Eastern mit seiner neuen kost-
baren Last gegen Westen. Glücklich langte das Schiff auf Neufundland an
und am 27. Juli nachmittags konnten die ersten Depeschen entsendet werden.
Endlich waren die beiden Welten durch unbeugsame Ausdauer miteinander