1905 -
München [u.a.]
: Oldenbourg
- Hrsg.: Rohmeder, A. F., Loeßl, Vinzenz, Zwerger,, Fr.
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Kaufmännische Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde?
- Geschlecht (WdK): koedukativ
161. Die Post. 271
Leren Verkehr nicht mehr die erforderliche Sicherheit bot. Dies war
ein Grund mehr für die Reichstände, den Postbetrieb selbst in die
Hände zu nehmen. Kur-Brandenburg ging voran, Sachsen, Braun-
schweig und andere folgten. Dadurch zersplitterte sich das deutsche Post-
wesen in viele einzelne Landesanstalten, welche sich innerhalb ihrer
Landesgrenzen bewegten, untereinander nur in losem Zusammenhang
standen und möglichst selbständige, voneinander abweichende Grundsätze
bei der Beförderung zum Schaden des großen Ganzen befolgten. Es
war ein Bild deutscher Zerrissenheit im kleinen. Im Jahre 1810 be-
standen im Gebiet des ehemaligen Deutschen Reiches dreizehn verschiedene
Postverwaltungen; in den Gebieten des Rheinbundes kam hierzu noch
eine Menge neuer französischer Anstalten, so daß die Verwirrung den
höchsten Grad erreichte. Um derselben ein Eude zu machen, faßte man
nach dem Sturz der französischen Herrschaft 1815 den Plan, eine ein-
heitliche deutsche Post zu gründen; aber derselbe scheiterte an der Un-
einigkeit der Staaten und an dem Widerstand einzelner Fürsten ihr
Postrecht aufzugeben. Denn ihnen galt die Post nicht als ein gemein-
nütziges Institut, berufen, den Zwecken des Verkehrs und der Hebung
des wirtschaftlichen Lebens zu dienen, sondern als eine Anstalt, die Geld-
überschüsse und andere Vorteile gewähren sollte. Übrigens war in den
außerdeutschen Ländern dieselbe Ansicht herrschend.
Ii.
Der Betrieb des Postwesens war im Laufe der Zeit mannigfach
verbessert worden. Seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts gab es in
Deutschland Eilposten, Extraposten für Reisende, die sich nicht der Eil-
posten bedienen wollten, und Estafettenposten, die wichtige Briefe und
Depeschen durch reitende Postillone weiter beförderten. Die Gebühren
für die Benutzung der Personen- und Briefpost wurden durch Landes-
gesetze geregelt und nach den Entfernungen bemessen. Eine Beschränkung
des Postverkehrs trat mit der Erfindung und Entwicklung der Eisen-
bahnen und Telegraphen ein, ganz besonders verminderten sich die Extra-
und Estafettcnposten. Zugleich aber erhielt der Briefverkehr durch die
Eisenbahnen eine größere Schnelligkeit, die später durch die Einrichtung
der fahrenden Bureaus, die mit dem Zuge dahinbrausen und ihre Ge-
schäfte während der Fahrt erledigen, noch mehr gesteigert wurde.
Im Lauf der Zeit folgten andere Verbesserungen der Posteinrich-
tungen. Eine der wichtigsten Verbesserungen ging im Jahre 1840 von
England aus. Hier setzte der Generalpostmeister Rowland Hill durch,
daß die räumliche Entfernung bei der Berechnung der Gebühren nicht
mehr den Maßstab abgab, sondern daß jeder Brief nach allen Teilen
des Königreiches zu demselben Preise befördert wurde. Einen Unterschied
bedingte nur noch die Schwere des Briefes; unter einem Lot schwer
wurde er für einen Penny befördert, über ein Lot schwer kostete er den
doppelten Satz. Zur Erleichterung der Frankierung und der Einliefe-
rung der Briefe zur Post wurden Briefmarken und gestempelte Brief-
umschläge eingeführt. Damit begann eine neue Zeit für das gesamte
europäische Postwesen; denn die allgemeine Stimme entschied sich bald