1905 -
München [u.a.]
: Oldenbourg
- Hrsg.: Rohmeder, A. F., Loeßl, Vinzenz, Zwerger,, Fr.
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Kaufmännische Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde?
- Geschlecht (WdK): koedukativ
167. Die Alpenstraßen.
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Um in den gefährlichsten Gegenden, da, wo die Schneestürme am
ärgsten wüten, dem Wanderer eine Zufluchtsstätte zu bieten, sind in an-
gemessenen Entfernungen feste, steinerne Znflnchtshäuser errichtet, die zum
Teil den Rutnern oder Schneeschauflern zum Obdach dienen. Während
der Wintermonate findet der Hilfesuchende auch in den unbewohnten
Zufluchtshüusern so viel gespaltenes Holz um sich Feuer auf dem Herd
anzünden zu können, auch wohl Brot für sich oder ein Bündel Heu für
sein Pferd. Von noch größerer Wichtigkeit für die Straßen sind im
Winter und Frühjahr die Galerien. Sie sind entweder durch die Felsen
getriebene Tunnel oder künstlich ausgemauerte, gewölbte Gänge mit
schießschartenühnlichen Öffnungen. Sie haben die Bestimmung, Mann,
Roß und Geschirr an unsicheren, den regelmäßigen Grundlawinen aus-
gesetzten Stellen gegen das Begrabenwerden zu schützen. Sie find so
fest gemauert, daß die Lawinen mit ihren furchtbaren Sturzschlägen
sie nicht erschüttern können und donnernd über sie hinweg in die Tiefe
stürzen. Freilich ist auch schon der Fall vorgekommen, daß Schnee-
flächen von ungewöhnlicher Breite losrissen und die Galerie an beiden
Enden verschütteten. Rasch ist aber in solchen Füllen die Hilfe der
Rntner zur Hand, welche die Schneelast durchbrechen und die Ein-
geschlossenen befreien.
Auf den höchsten und unwirtlichsten Übergängen, nahe dem ewigen
Schnee in kalter, steiniger Öde, stehen die schützenden Hospize, die letzten
menschlichen Zufluchtstätten in der Alpenregion. Alle Hospize, d. h.
Herbergen der Gastfreundschaft, deren es in den Alpen etwa fünfzehn
gibt, sind milde Stiftungen; diese haben die Aufgabe, je nach ihren
Mitteln jeden Reisenden, der es verlangt, unentgeltlich zu beherbergen,
Armen eine Mahlzeit umsonst zu verabfolgen oder, wenn wildes Wetter
den Wanderer zwingen sollte, länger zu bleiben, ihn während dieser Zeit
zu verpflegen und bei Schneestürmen durch Glockenläuten oder durch
Aussendung von Spürhunden Verirrte auf den rechten Weg zu leiten.
Die bekanntesten Hospize sind die vier Mönchsklöster auf dem Großen
und Kleinen St. Bernhard, dem Mont Cenis und Simplon, außerdem
das St. Gotthard- und das Grimselhofpiz. Das Kloster auf dem Großen
St. Bernhard kann 70—80 Fremde beherbergen und dennoch erscheint
diese Zahl gering, wenn man erwägt, daß jährlich 16—20000 Wanderer
in dem Hospiz einkehren.
Die höchste Fahrstraße der Alpen (2557 m hoch) führt über das
Stilfser Joch zwischen den Rätischen Alpen und der Ortlergruppe. Schon
feit dem 14. Jahrhundert stellte ein Saumpfad über diesen hohen Sattel
die Verbindung zwischen der Etsch und der Adda, zwischen Tirol und