1905 -
München [u.a.]
: Oldenbourg
- Hrsg.: Rohmeder, A. F., Loeßl, Vinzenz, Zwerger,, Fr.
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Kaufmännische Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde?
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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261. Kaiser Wilhelms Ii. Fürsorge für die Arbeiter.
In der Thronrede, welche er am 27. Juni 1888 bei Eröffnung
des preußischen Landtages verlas, bekundete er seinen Entschluß, als
Kaiser und König dieselben Wege zu wandeln, auf denen sein Großvater
das Vertrauen seiner Bundesgenossen, die Liebe seines Volkes und die
wohlwollende Anerkennung des Auslandes errungen habe.
Kaum waren die Wochen tiefster Hoftrauer beendigt, so zögerte er
keinen Augenblick, die friedlichen Beziehungen des Deutschen Reiches zu
den auswärtigen Mächten zu befestigen. Mit dem Wahlspruch: „Nie-
mand zum Trutz — zum eigenen Schutz" unternahm er seine Reise an
die Höfe von Rußland und Österreich, nach Italien, zu den Bundes-
fürsten, nach England und nach Schweden. Diese Reisen haben wesent-
lich zur Erhaltung des europäischen Friedens beigetragen. Ganz beson-
dere Fürsorge aber hat er von Anbeginn seiner Regierung an den be-
dürftigen Klaffen seines Volkes zugewendet; er ist auf dem von seinem
Großvater betretenen Wege weiter fortgeschritten.
Wo es gilt Not zu lindern und Einrichtungen zu schaffen, die das
Los unserer bedrängten Mitmenschen zu bessern geeignet sind, da gibt
es keine willigere und zur Tat bereitere Hand als die unseres Kaisers.
Die Frage der Arbeiterwohnungen in ihrer grundlegenden Wichtigkeit
nicht bloß für die wirtschaftliche sondern auch für die sittliche Hebung
der arbeitenden Klassen, für ihre Gesundheit und ihr Familienleben, die
Förderung von Volksbüchereien behufs gesunder geistiger Ernährung des
Volkes, kurz alle sozialpolitischen Bestrebungen irgendwelcher Art dürfen
bei unserem kaiserlichen Herrn auf eingehende und verständnisvolle Teil-
nahme rechnen.
Wie sehr dem Kaiser daran liegt, persönlich sich von der Lage der
Arbeiter zu überzeugen, hat zur Genüge der Empfang einer Arbeiter-
abordnung gelegentlich des großen Ausstandes der rheinisch-westfälischen
Bergarbeiter im Mai 1889 gezeigt. Er hörte die Klagen dieser Männer
an, hielt ihnen in ernsten, wohlwollenden Worten das Ungesetzmäßige
ihres Vorgehens vor und versprach ihnen Prüfung der Verhältnisse und
Abstellung etwaiger Mißbräuche. Den Grubenbesitzern, die er wenige
Tage darauf empsing, empfahl er, möglichst nahe Fühlung mit den
Arbeitern zu halten, damit denselben Gelegenheit gegeben werde ihre
Wünsche vorzubringen; er legte ihnen nahe, für das Wohl der Arbeiter
zu sorgen und solchen Schwierigkeiten wie die damals vorhandenen vor-
zubeugen. Durch das Dazwischentreten des Kaisers war der bedrohliche
Ausstand binnen wenigen Tagen beendigt.
Dieser und noch andere Ausstände riefen in dem Kaiser den Ge-
danken wach, eine Befriedigung der als berechtigt anzuerkennenden Forde-