1903 -
Essen
: Baedeker
- Autor: Heinecke, August
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Berufsbildung
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Der Kaiser-Wilhelm-Kanal.
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die Nordspitze Jütlands, ist jedoch lang und dabei sehr gefahrvoll.
Wenn in Herbst- und Wintertagen der Sturm das Meer bis in seine
Tiefen aufwühlt, dann wird die „eiserne Küste“ an Jütlands West-
seite zum „Kirchhof der Schiffe“. Darum ist von den Tagen des
Mittelalters an der Gedanke lebendig gewesen, beide Meere durch
einen Kanal zu verbinden, und zur Verwirklichung dieses Planes
wurde der Eiderkanal angelegt. Dieser Wasserweg wurde von
Dänemark am Ende des vorigen Jahrhunderts erbaut und war damals
der größte Kanal in Europa; aber dem Schiffswesen der Gegenwart
genügte er bei weitem nicht mehr, und darum hatte er schon lange
seinen Wert verloren.
Der Kaiser-Wilhelm-Kanal macht es unserer Kriegsflotte mög-
lich, sich ungehindert von feindlichen Nachbarn je nach Bedürfnis
bald in der Nordsee, bald in der Ostsee zu vereinigen; er ist aber
auch dem friedlichen Verkehr der Völker geöffnet. An die Aus-
führung eines solchen Baues konnte man erst denken, nachdem unser
Vaterland innerlich geeinigt war und die ihm gebührende Stelle unter
den Völkern eingenommen hatte. Der Bau war beschlossen, die
Bausumme von 156 Millionen Mark bewilligt und die Bauzeit auf
acht Jahre festgesetzt. Da legte am 3. Juni 1887 der greise Helden-
kaiser Wilhelm den Grundstein zum Kanal ,,zur Ehre des geeinigten
Deutschlands, zu seinem fortschreitenden Wohl, zum Zeichen seiner
Macht und Stärke.“
2. Nun kam eine Zeit rastloser Arbeit, ein langer Kampf mit
mancherlei Schwierigkeiten. Die tiefste Fahrrinne der Erde sollte
hergestellt werden, eine Wasserstraße, die mit einer Tiefe von 9 m
den Suezkanal übertrifft. Ungeheure Erdmassen mußte man aus-
heben, zumal da, wo ein Höhenzug, die Wasserscheide zwischen
Elbe und Eider, durchschnitten wurde. Die Endpunkte des Kanals
bezeichnen die Ortschaften Holtenau am Kieler Hafen und Bruns-
büttel an der Elbmündung. Um das Werk rasch zu fördern, wurde
die Arbeit gleichzeitig an mehreren Stellen der festgesetzten Linie
begonnen. Große Arbeitermassen aus aller Herren Ländern wurden
geworben; in der besseren Jahreszeit beschäftigte man gegen 8000,
im Winter über 6000 Mann; vor allem aber wurde die Kraft der
Maschinen ausgenutzt. Wenn das Tageslicht wich, so setzte eine
neue Schicht von Arbeitern bei elektrischem Licht das Werk fort.
Die Erdmassen wurden zum größten Teil durch Baggermaschinen
gehoben. Die Trockenbagger füllten mit eimerförmigen Schaufeln,
die an einer „Kette ohne Ende“ durch Dampfkraft leer hinab- und
voll heraufgezogen wurden, einen Eisenbahnwagen nach dem andern.
Als das Kanalbett bereits mit Wasser gefüllt war, vollendete der
Schwimmbagger in ähnlicher Weise das begonnene Werk. Auf
ausgedehnten Ablagerungsstätten zu beiden Seiten des Kanals oder
am Ufer des Kieler Hafens wurden die Erdmassen ausgebreitet;
zum feil mußten sie auch weit ins Meer hinausgefahren werden.
Die Breite des Kanals sollte genügen, um auch großen Schiffen
ein bequemes Begegnen zu ermöglichen. Sie wurde deshalb auf 22 m
an der Sohle festgesetzt. Da die Ufer schräg ansteigen, so erweitern
sich die Abstände nach oben; am Wasserspiegel betragen sie in den