1903 -
Essen
: Baedeker
- Autor: Heinecke, August
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Berufsbildung
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Das Bergische Land und seine Industrie.
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Treten wir in eine solche Hammerschmiede ein! Ans einem niedrigen
Schwebesitz, der an einer von der Decke herabhängenden beweglichen Eisen-
stange befestigt ist, erblicken wir den rußigen Schmied. Ein Hammer schlägt
auf einen breiten, glühenden Eisenstab, der ans einem in den Boden einge-
lassenen, niedrigen Amboß liegt. Der schwere Hammer wird durch Wasser-
kraft getrieben (s. Nr. 94). Geschickt wendet der Meister das Eisen unter
dem schlagenden Hammer, bis eine runde Platte daraus geworden ist, die
durch einen schmalen Stiel mit der Stange zusammenhängt, und man erkennt
die rohe Form einer Bratpfanne. Nun greift der Schmied nach einem Werk-
zeug, welches in eine scharfe Schneide ausläuft, hält es dahin, wo der Stiel
der Bratpfanne endigt und läßt durch den Hammer die Pfanne abschlagen.
Sofort wird die noch glühende Eisenstange weiter geschoben, ohne daß ein
Schlag auf den leeren Amboß fällt, obwohl der Hammer etwa 100 Schläge
in der Minute macht. Ist aber die dritte oder vierte Pfanne geschmiedet,
so steht der Lehrling schon mit einer frisch glühenden Eisenstange bereit. Der
Meister raucht bei der Arbeit behaglich sein Pfeifchen und gibt dem Burschen
nur selten durch ein Wort oder eine Gebärde Weisung.
Indem wir weiter wandern, bemerken wir an den langen Fensterreihen
der Feilenhauereien arbeitende Männer und Frauen und hören in eintönigem
Takte Hämmer schlagen. Auch Haushaltungsgerüte und Werkzeuge für Hand-
werker, Säbelscheiden und Sporen, Ambosse und Beile, Sensen und Sicheln,
Spaten, Hacken und Pflugscharen, endlich auch Schlittschuhe gehen ans der
Remscheider Gegend in die weite Welt.
Da Remscheid auf einem Bergrücken liegt, so hatten die Bewohner früher
viel durch Wassermangel zu leiden, dem auch die kostspielige Anlage einer
Wasserleitung nicht hinreichend abzuhelfen vermochte. Da entschloß sich die
städtische Verwaltung, das Tal des nahen Eschbaches durch eine massige,
160 m lange, 25 m hohe und unten 15, oben 4 m dicke Qnermauer abzu-
sperren, hinter welcher sich das Wasser des Baches ansammeln sollte. Die
Füllung dieses gewaltigen Sammelbeckens nahm 50 Tage in Anspruch. Von
der „Talsperre" aus wird das Wasser nach dem Pumpwerk geleitet, von wo
aus es durch Dampfkraft in zwei Wassertürme getrieben wird. Diese vor-
treffliche Remscheider Anlage ist seitdem von vielen andern Orten nachgeahmt
worden.
3. Von Remscheid nur wenige Kilometer ostwärts — und man hört
nicht mehr das Getöse der Hämmer, sondern das Rasseln von Spinnmaschinen
und das Geklapper von Webstühlen. Wir befinden uns in Lennep, dem
wichtigsten Orte der bergischen Tnchfabrikation. Erklimmen wir nun den
nächsten, nordwärts sich hinziehenden Höhenrücken, so schauen wir auf das
im Wuppertal über drei Wegstunden sich erstreckende, 300000 Einwohner
bergende Häusermeer der Doppelstadt Barmen-Elberfeld hinab. Es liegt
eine alte Heimstätte der Garuindustrie unter uns. Früher breiteten sich
hier weite Wiesenflächen ans, und die jetzt schwarze Wupper spendete den
Garn bl eichen ihr kristallklares Wasser. Weber und Färber wurden
zur Niederlassung angelockt, und später kamen noch andere Arbeitszweige hinzu,
vor allem die Bandwirkerei. Letztere hielt sich am längsten als Haus-
industrie; denn wie der bergische Schmied im allgemeinen dem Fabrikbetrieb
abhold ist und sich nach Möglichkeit die Selbständigkeit als Meister wahrt,
so sträubte sich auch der bergische Weber lange Zeit gegen die Vorherrschaft
der Fabrik. Jetzt aber ist infolge der Vorteile des Betriebes die Fabrik-
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