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1. Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 278

1903 - Essen : Baedeker
278 Land und Leute im Schwarzwald. berühmten Triberger Wasserfälle. Aus einer Höhe von 170 Metern tost die Wassermasse in sieben Absätzen herab. Hohe Tannen auf nackten Felsen bilden den Rahmen dieses schönsten Wasserstnrzes der deutschen Gaue, und zwischen dem rauschenden Tosen erklingen die Glocken weidender Herden. Vor und hinter Triberg durchführt die berühmte Schwarzwaldbahn mit ihren Tunneln und Kehren, Überbrückungen und prächtigen Fernsichten die reiz- vollsten Strecken. 2. Triberg ist die Wiege und der Hauptsitz eines wichtigen Erwerbs- zweiges der Schwarzwälder. Fast an jedem Fenster sind die bekannten zier- lichen Schwarzwülder Uhren und andere kunstvolle Holzschnitzereien ausgestellt. Ums Jahr 1730 lebte in dem Dörfchen Schönwald bei Triberg ein geschickter Mann, namens Franz Keckerer, der einfache, aber derbe halt- bare und sehr billige Uhren aus Holz herzustellen wußte. Unbekannt war in den entlegenen Tälern des Schwarzwaldes damals die Uhr nicht. Die Klöster hatten schon große Turmuhren, deren Stundenschläge weithin durch die stille Gegend hallten. Den Mönchen ließ die Langeweile ihrer Zelle Zeit genug, kunstvollere Uhren ausznsinnen, und selbst manchem Bauer gelang es, ein einfaches Uhrwerk aus Holz zu stände zu bringen. Indessen waren dies alles nur Spielereien und Liebhabereien; Franz Keckerer in Schönwald dagegen legte sich auf die Anfertigung von Uhren, um mit ihnen Handel zu treiben. Wenn er aber solche in Menge an seine Landsleute verkaufen wollte, so mußten sie billig sein, und dazu war die höchste Einfachheit in Stoff und Bau erforderlich. So bestand denn die erste Uhr Ketterers ganz aus Holz; nur die Gewichte waren aus Eisen; sie zeigte auch nur die Stunden und war in einem halben Tage abgelaufen; ein Schlagwerk gab es nicht. Aber die Waldbewohner waren überglücklich, als sie mit einer solchen Uhr ihre Wohnung ausstatten konnten; jeder wollte eine solche Holzuhr haben, und Keckerer mußte sich nach helfenden Händen umsehen. Jetzt schnitzten die Bauern in Schönwald an den Feier- und Winterabenden Balken und Rädchen für die Uhrmaschine, statt wie bisher Kochlöffel. Bald gab es auch mehrere Uhrmacher, die miteinander wetteiferten, um es durch Verbesserungen einander zuvorzutun; Franz Ketterer wußte sich jedoch an der Spitze der Uhrenindustrie zu behaupten. Er brachte es zu stände, daß die Uhrwerke 24 Stunden im Gange blieben; sie schlugen die Stunden und sogar die Viertel, ja er ließ daran angebrachte Figuren ihr kurzweiliges Spiel treiben, an dem sich jung und alt ergötzte. Eine sehr glückliche Erfindung Ketterers war auch die Kuckucksuhr, die sehr viel dazu beigetragen hat, die Schwarzwülder Ühren allgemein beliebt zu machen. Ums Jahr 1750 wurden die hölzernen Getriebe und Rüder durch Draht und Messing ersetzt, und es gab bereits Uhren, die 8 Tage lang gingen. Groß und klein fand durch die Uhrenfabrikation Be- schäftigung; der eine machte diesen, der andere jenen Teil, und erfahrene Arbeiter setzten das Ganze zusammen. Auch Nebenindustrieen entstanden, z. B. das Bemalen und Lackieren der Zifferblätter. Die glänzendste Zeit der Schwarzwälder Uhrenindustrie fiel in das erste Drittel des 19. Jahrhunderts; von da an aber nahm der Verdienst ab. Der Zwischenhandel hatte die Preise zu sehr herabgedrückt und den Leuten die Lust an der Arbeit genommen; die Formen waren veraltet, die Werke wurden leichtfertig gearbeitet, und die nach Amerika ausgewanderten Schwarzwälder, die dort die heimische Beschäftigung wieder aufgenommen hatten, trugen auch dazu bei, den alten Erwerbszweig lahm zu legen.
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