1903 -
Essen
: Baedeker
- Autor: Heinecke, August
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Berufsbildung
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Deutschlands Weltstellung und Welthandel.
allein andere Weltstädte an Größe und Glanz erreicht, ja überflügelt hat,
sondern auch bereits im Rufe steht, die großartigste Industriestadt des euro-
päischen Festlandes zu sein ff. Nr. 116, 117).
2. Mit der Zunahme der Macht und des Ansehens Deutschlands, mit
dem Erstarken seiner Industrie hat sich auch der deutsche Handel immer
weiter ausgebreitet und zum Welthandel entwickelt. Der Osten und
Südosten Europas wirft aus seinen wald- und getreidereichen Ebenen Massen
von Holz, Getreide, Flachs und Vieh ans den deutschen Markt und erhält
dafür Erzeugnisse unserer Metall- und Textilindustrie. Der industriereiche
Westen setzt seine Fabrikate teils in Deutschland, teils im Ausland ab.
Brüsseler Spitzen und Teppiche, französische Modewaren, Seidenzeuge und
Weine, Schweizer Uhren u. dgl. sind überall in Deutschland begehrt, während
deutsche Biere, Holz- und Webewaren dort Absatz finden. Aus Südeuropa
gelangen namentlich Südfrüchte und Weine nach Deutschland.
Die Ostsee vermittelt in erster Linie den Handel zwischen Deutschland
und den nordischen Ländern, von denen Dänemark in erster Reihe steht. Im
Jahre 1895 kamen aus Dänemark 6015, aus Schweden 3258 und aus dem
russischen Ostseegebiet 522 Schiffe nach deutschen Häfen; dem entsprechend
gingen 6043, 3228, 519 Schiffe dorthin ab. Der wichtigste Ostseehafen ist
Stettin. Da diese Stadt in einer industriereichen und wohlhabenden Gegend
liegt, so werden namentlich Erzeugnisse der Industrie ausgeführt, dagegen
Rohstoffe für die Industrie, Getreide und Luxusgegenstünde eingeführt. Weil
jedoch die Ausfuhr bedeutend schwächer ist als die Einfuhr, so müssen viele
Schiffe nach ihrem Ausgangsorte leer zurückkehren. Schon seit geraumer
Zeit wiegt in Stettin die Dampfschiffahrt vor, während in Danzig die
Segelschiffahrt vorherrscht; denn der Danziger Hafen steht im Dienste einer
wenig wohlhabenden, wirtschaftlich noch nicht völlig entwickelten, hauptsächlich
Ackerbau treibeüden Gegend; er führt vorwiegend Getreide und Holz aus,
während die Einfuhr gering ist. Der Kieler Hafen, der zunächst den
Zwecken der deutschen Kriegsflotte dient, geht seit der Eröffnung des Kaiser-
Wilhelm-Kanals ff. Nr. 62) auch als Handelshafen einer glänzenden Zukunft
entgegen.
Die Nordsee ist zwar zu allererst die Vermittlerin des überseeischen
Verkehrs, fördert aber auch den deutschen Handel mit den westeuropäischen
Küstenstaaten. Am umfangreichsten ist der Handel mit Großbritannien. Von
dort kamen im Jahre 1895 an Gütern 4ffs Mill. Tonnen, und es gingen
dorthin über 2 Mill. Tonnen. Der jährliche Umsatzwert des deutschen Handels
mit England beziffert sich auf 1300 Mill. Mark. Nach deutschen Nordsee-
häfen kamen im Jahre 1895 von Norwegen 1012, ans den Niederlanden 1506,
aus Frankreich 98 Schiffe, während 1031, 1401 und 96 Schiffe ausliefen.
Ans Norwegen bezieht Deutschland hauptsächlich Holz und Fische, während
es Zucker, Gemüse, Mehl und Wollwaren abgibt.
Die deutsche Nordseeküste weist nur wenige gute Häfen auf. Bremen
ist weniger ein Seehafen als vielmehr der wichtigste Stapelplatz für Tabak,
Petroleum, Baumwolle und Reis. Für Seeschiffe ist die Weser gar nicht
zugänglich; sie ankern in Bremerhaven, von wo ans die Waren teils durch
Flußschiffe, teils mit der Eisenbahn nach Bremen gebracht werden.
Hamburg, Deutschlands bedeutendster Seehafen, ist infolge seiner
vorteilhaften Lage zur ersten Seestadt des europäischen Festlandes und zu
einem der größten Welthandelsplätze emporgeblüht. Obgleich die Stadt 90 km