1903 -
Essen
: Baedeker
- Autor: Heinecke, August
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Berufsbildung
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Die deutschen Kolonieen unter Kaiser Wilhelm Ii.
"129. Die deutschen Kolonieen unter Kaiser Wilhelm Ii.
1. Wohl wehte im Jahre 1888 schon seit längerer Zeit die deutsche
Flagge an den Küsten Afrikas und in der Südsee; indessen waren die
kolonialen Gebiete noch weit davon entfernt, wirkliche Kolonieen zu sein, die
dein Mntterlande durch ihre Erzeugnisse erheblichen Nutzen schaffen konnten.
Der Einfluß der Reichsgewalt beschränkte sich auf vereinzelte Vorposten, die
zuni Teil noch in den Händen von Privatgesellschaften waren. Den Einge-
borenen hatte der richtige Begriff von Deutschlands Macht und Größe noch
nicht beigebracht werden können. Jetzt aber begann das Deutsche Reich, auch
jenseit der Meere seinen heimischen Machtmitteln entsprechend aufzutreten.
In Ostafrika erfolgte am l6. August 1888 die Übergabe des Küsten-
strichs, den die deutsch-ostafrikanische Gesellschaft vom Sultan von Sansibar
auf 50 Jahre gepachtet hatte, und in 14 Häfen wurde die Flagge dieser Ge-
sellschaft unter dem Donner der Geschütze gehißt. Alsbald begann eine eifrige
Tätigkeit, um dieses Gebiet wirtschaftlich auszunutzen, und schon sah man
im Geiste den deutschen Kaufmann seine Pfade bis an das Seengebiet und
die Grenzen des Kongostaates ziehen. Da erstanden den Deutschen in den
Arabern schlimme Feinde. Die deutsche Verwaltung drohte, ihnen das Ranb-
und Bestechungsgewerbe zu legen, welches sie bisher im Innern des Landes
und an den Zollstätten betrieben hatten. Deshalb machten sie den kühnen
Händler Buschiri zu ihrem Führer, und am 22. September 1888 rückten
die Aufständischen mit bewaffneten Negerscharen vor Bagamoyo, den Haupt-
platz der Deutschen. Hanptmann von Gravenreuth (gefallen in Kamerun 1891)
warf sie zwar aus der Stadt und trieb sie zurück, und ebenso behauptete sich
mit Hülfe der Flotte der Hafen Dar es Salüm; alle andern Küstenplätze aber
fielen in die Hände der Wüteriche; die deutschen Beamten wurden vertrieben,
die Anpflanzungen zerstört.
In dieser Not zeigte Kaiser Wilhelm Ii., daß er mit klarem Blick
und kräftiger Hand in die verworrenen Verhältnisse Ordnung zu bringen
wußte. Der deutsche Reichstag bewilligte zwei Millionen Mark für die Unter-
drückung des Sklavenhandels, der von den Arabern lebhaft betrieben worden
war, sowie zum Schutze deutscher Interessen; Kriegsschiffe wurden nach Ost-
afrika entsandt, und der Hauptmann Wißmann (jetzt Major v. Wißmann),
der erste Deutsche, welcher Afrika in der ganzen Breite durchzogen hatte,
wurde dazu ausersehen, als Reichskomniisfar die Ruhe und das Ansehen der
deutschen Flagge wiederherzustellen. Dieser kühne Kriegsmann bildete mit
deutschen Offizieren und Unteroffizieren, ägyptischen Soldaten und Zulakaffern
eine deutsche Reichstrnppe, mit welcher er Bnschiris verschanztes Lager er-
stürmte und den hartnäckigen Aufwiegler rastlos ins Innere des Landes ver-
folgte, so daß er endlich auf der Flucht gefangen genommen und standrecht-
lich erschossen wurde.
Bei diesem Kampfe handelte es sich zugleich um einen sittlichen Ge-
danken; denn er war ein Kreuzzng gegen die Schmach unsers Jahrhunderts,
den Sklavenhandel, und eine menschenfreundliche Tat, die allen abendländischen
Völkern, welche Besitzungen in Afrika hatten, zu gute kommen mußte. _ Der
Aufstand hatte aber auch den Beweis dafür geliefert, daß die Kolonisation
so gewaltiger Länderstrecken durch private Tätigkeit nicht durchführbar sei.
Deshalb wurde in dem 1890 abgeschlossenen deutsch-englischen Vertrage,
welcher das deutsche und englische Einflnßgebiet schärfer abgrenzte, mit dem