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1. Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 299

1903 - Essen : Baedeker
Das mittelalterliche Kloster, eine Pflanzstätte der Kultur. 299 jagd Erholung. Auch Ratbert kam hinzu, der erprobte Lehrer der Schule, der sich nur schwer von seinen Geschichtsbüchern trennte. Ans dem Dunkel im Saalesgrund ragte Sintram hervor, der unermüdliche Schönschreiber, dessen Schristzüge alle Welt bewunderte. Da stand auch Notker, der Arzt, und Engel- bert, der den Tiergarten zur Kurzweil der Brüder eingerichtet hatte; auch Ger- hard, der Prediger, und Folkard, der Maler, waren da. Die Brüder schickten sich an, den hohen Gast zu empfangen. Das schwere Tor knarrte ans; heraus schritt der Abt und paarweise folgten die Brüder lang- samen Ganges und Hymnen singend. Zwei der Brüder trugen eine kunstvoll geschnitzte Truhe herbei; aus der zog der Abt eine neue Kutte hervor, warf sie der Herzogin um und sprach: „So ernenne ich unseres Klosters erlauchten Schirmvogt zum Mitglied und schmücke ihn znm Zeichen dessen mit des Ordens Gewandung." Auch das Gefolge mußte sich einkleiden lassen. Gerold, der Schaffner, eilte inzwischen zum Wachter und sprach: „Ihr sollt auf den nächsten Meierhöfen ansagen, daß sie noch heute abend die schul- digen Hühner zur Ausschmückung der Mahlzeit schicken und sollt einen guten Bissen Wildbret beschaffen!" Frau Hedwig, die Herzogin in Schwaben, begehrte nun einen Rnndgang durch das Kloster zu machen. Der Abt geleitete seine Gäste zuerst in die Kirche. Nachdem Frau Hedwig am Grabe des hl. Gallus ihre Andacht verrichtet, wünschte sie den Klosterschatz zu sehen. Herr Eralo ließ die gebräunten Schreine in der Sakristei öffnen. Da war viel zu bewundern an purpurnen Meßgewändern mit Stickereien und gewirkten Darstellungen aus der heiligen Geschichte. Hiernach wurden die Truhen aufgeschlossen. Da leuchtete es vom Schein edler Metalle; silberne Ampeln glänzten hervor und Streifen getriebenen Goldes zur Einfassung der Evangelienbücher, köstliche Gefäße in seltsamen Formen, Leuchter, Schalen und Weihrauchbehälter; auch ein Kelch von Bernstein war dabei. Abt Eralo schlug nun einen Gang in den Klostergarten vor. Der trug Kraut und Gemüse nach Bedarf der Küche, zudem uützliches Arzneigewächs und heilbringende Wurzeln. Nahe beim Baumgarten war ein großer Raum abgeteilt für allerlei wild Getier, wie solches iu den nahen Alpen hauste oder als Geschenk von fremden Gästen verehrt war. Auf einem Apfelbaume saß eiu dienender Bruder und pflückte die edeln Früchte. — Jetzt ertönte der Gesang zarter Knaben- stimmen; die Zöglinge der inneren Klosterschule kamen herbei, der Herzogin ihre Huldigung zu bringen. Wie die rotwangigen Mönche und Äbte der Zukunft daherzogen, den ernsten Blick niedergeschlagen, stieß Frau Hedwig einen Korb um, so daß die Äpfel lustig unter den Zug der Schüler rollten. Äber unbeirrt zogen sie ihres Weges; nur der Kleinsten einer wollte sich bücken nach der lockenden Frucht; doch streng hielt ihn sein Nebenmann am Gürtel. „Sind alle Eure Schüler so wohl gezogen?" fragte die Herzogin gerührt. „Gute Zucht unterscheidet den Menschen vom Tier," erwiderte der Abt. „Wenn Ihr Euch überzeugen wollt, die Großen in der äußeren Schule wissen nicht minder, was Gehorsam ist." Frau Hedwig nickte. Da führte sie Eralo in die äußere Schule, wo vornehmer Laien Söhne erzogen wurden, die sich dem wcltgeistlichen Stande widmen wollten. In der Klasse der Ältesten stand Ratbert, der Viel-
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