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1. Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 303

1903 - Essen : Baedeker
Eine Gesellen-Einfahrt. 303 dachten heute die Zchuhmachergesellen von Lüneburg. In alten Zeiten hielten alle handwerksknechte die blauen Montage gemeinschaftliche das aber hatte so oft zu Reibereien und Schlägereien geführt, daß der wohl- weise Rat der Stadt eine bestimmte Ordnung in dieses feiern brachte. Sämtliche Montage des Jahres wurden unter die Gilden*) verteilt, so daß immer nur wenige ihre Blauen zusammen hatten, heute waren die Handwerker, die in Leder arbeiteten, an der Reihe: die Schuhmacher, die Gerber, die Beutler**) und die Sattler und Riemenschneider. Rm blauesten aber schien dieser Montag bei den Schuhmachern zu werden,- denn heute sollte der zugereiste Geselle Timotheus Schneck aus Darmstadt in die Brüderschaft der Schusterknechte „eingeehrt" werden. Rm Samstag war der Ladeschlüssel der Schusterknechte von einer Werkstatt in die andere getragen worden mit dem jubelnd aufgenommenen Gebot des Rltschaffers, daß am nächsten Montag Rrugtag sein sollte. Run war der lustige Tag da. Nachmittags um 5 Uhr erschienen an 60 Schusterknechte in der Herberge. Timmo wurde, mit einem Blumenstrauß geschmückt, vom Rltschasfer und Iungschasfer feierlich zur Herberge geleitet und von den versammelten mit jubelndem Zuruf empfangen. Die Gesellen drängten und schoben sich durcheinander, tauschten Witze aus oder erzählten sich haarsträubende Dinge von ihren Meistern und Meisterinnen. Nach und nach gelang es den Schaffern, sie alle zum Sitzen zu bringen. Oben quervor am Gelage nahm der Rltschasfer Platz, und rechts und links neben ihm die beiden Vierschaffer, welche Rufsicht zu führen und bei Verstößen die Strafgelder einzuziehen hatten. Neben dem Bierschasfer rechts saß Timmo als einzuehrender Schenkgesell. Jetzt klopfte der Rltschasfer mit einem hölzernen Hammer, dem Zeichen seiner Würde, und alle erhoben sich. Der Rltschasfer sprach ein kurzes Gebet und öffnete dann die vor ihm stehende Lade, in der sich die Siegel und Briefe der Bruderschaft befanden. Daraus setzten sich die anderen nieder; er aber blieb stehen, stellte den Daumen seiner geschlossenen rechten Hand steif auf den Tisch und sprach: „Seid willkommen, liebe Brüder und Gelaggesellen! Ist 'einer unter euch, der auf den Rltschasfer oder die Vierschaffer oder den Iungschafser etwas zu sagen hat, der spreche jetzt und schweige nachmals, auf daß wir unser Bruderbier in Frieden trinken! Was deucht euch, Gesellen, ist Friede nicht das Veste?" Die Gesellen antworteten mit ja. „So sollt ihr wissen, liebe Gesellen," fuhr der Rltschasfer fort, „wer bei diesem Vruderbier Hader anfängt, der soll geben, was zwischen Staff und Band verfaßt ist, an Bier und kein Wasser,- Wein kann auch nicht schaden. Ein jeder soll den andern beim rechten Namen nennen und kein Beiwort gebrauchen, kein Messer ziehen oder was sonst ungebührliche Dinge mehr sind, so lieb ihm ein Pfund Pfennige ist. Und nun, liebe Brüder, ziehet den Beutel!" Die Gesellen antworteten: „Dank für dein Wort!" Dann griff jeder in seine Tasche und legte sein Ruflagegeld vor sich auf den Tisch, das von den Bierschaffern eingesammelt wurde. Darauf sprach der Vor- sitzende: „Schaffer, seid so gut und stecht die Tonne an!" Bald brachten die beiden Schenkjungen jedem Gesellen einen Rrug Bier, und nachdem etwa eine halbe Stunde unter nachbarlichen Gesprächen *) Bedeutet in mancyen Städten links von der Elbe so viel wie Zunft. **) Verfertiger von ledernen Beuteln, Taschen u. dgl.
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