1903 -
Essen
: Baedeker
- Autor: Heinecke, August
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Berufsbildung
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Wie kommt der Handwerker zu seinem Gelde?
Arbeit. Dem guten Rufe, den er sich auf diese’ Weise erworben,
verdankte er es, daß beim Bau eines neuen Schulhauses die
städtische Verwaltung unter vielen Bewerbern ihm die Lieferung
der Schulbänke übertrug. Freilich mußte er sich verpflichten, die
Bestellung bis zum i. März des folgenden Jahres auszuführen. Um
diesen Zeitpunkt einhalten zu können, sah er sich genötigt, einen
zweiten Gesellen anzunehmen, einen größeren Vorrat Holz zu kaufen
und dafür einen Lagerplatz zu mieten. Der Holzhändler verlangte
indessen für seine Lieferung sogleich eine größere Teilzahlung, und
der Eigentümer des Lagerplatzes hatte sich vierteljährliche Voraus-
bezahlung der Miete ausbedungen. Da galt es, möglichst viel Geld
flüssig zu machen; denn der Meister wußte wohl, daß für einen Ge-
schäftsmann kaum etwas nachteiliger ist, als wenn er in den Ruf
eines „faulen Zahlers“ kommt. Er sah deshalb seine Bücher durch und
schrieb den Kunden, an die er noch eine Forderung hatte, Rech-
nungen aus. Wenn ein Kunde bereits längere Zeit mit der Zah-
lung im Rückstände war, so setzte er die Worte hinzu: „Um bal-
dige Begleichung wird höflichst gebeten.“
Hiermit hatte er in den meisten Fällen Erfolg.
Nur drei seiner Kunden ließen nichts von sich hören, obwohl
er seinen Lehrling mit einer quittierten Rechnung zu ihnen geschickt,
darauf anfänglich milde, später dringende Mahnbriefe an sie ge-
richtet und endlich hinzugefügt hatte, daß er die Hülfe des Gerichts
in Anspruch nehmen würde.
Der erste dieser säumigen Zahler war der Althändler Mohr,
von dem Meister Streich für einige Ausbesserungen an den Laden-
tischen 5,60 Mark zu fordern hatte. Freilich wunderte es den
Meister kaum, daß er nur mit Mühe zu diesem geringfügigen Be-
trage gelangen konnte; denn er wußte, daß Mohr nie recht im
klaren darüber war, was er von seinen Geschäftsfreunden zu for-
dern hatte, und was er ihnen schuldete, weil er kein Freund einer
geordneten Buchführung war.
Diese Nachlässigkeit verursachte ihm noch andere Verdrießlich-
keiten und Verluste. So war Mohr fest davon überzeugt, daß er
zu hoch zur Einkommensteuer veranlagt sei; aber alle seine Be-
schwerden waren vergeblich, da er ohne ordnungsmäßig geführte
Geschäftsbücher nicht nachweisen konnte, wie hoch sein Einkommen
wirklich war.
Meister Streich war es müde, sich von diesem Manne noch
weiter hinhalten zu lassen. Deshalb richtete er an das Amtsgericht
folgende Eingabe:
„Der Althändler Mohr hierselbst, Langstraße 16, schuldet
mir laut anliegender Rechnung für Schreinerarbeiten 5,60 Mark.
Trotz wiederholter Mahnung, zuerst durch Brief vom 6. Juni d. J.,
ist von ihm keine Zahlung zu erlangen gewesen. Ich beantrage
deshalb, gegen ihn einen Zahlungsbefehl auf 5,60 Mark nebst 4 °/o
Zinsen vom Tage der ersten Mahnung an zu erlassen.“
Das Amtsgericht entsprach diesem Antrage binnen wenigen
Tagen und ließ dem Althändler Mohr durch einen Gerichtsvollzieher
einen Zahlungsbefehl zustellen, der folgendermaßen lautete: