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1. Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 404

1903 - Essen : Baedeker
404 Wie kommt der Handwerker zu seinem Gelde? Arbeit. Dem guten Rufe, den er sich auf diese’ Weise erworben, verdankte er es, daß beim Bau eines neuen Schulhauses die städtische Verwaltung unter vielen Bewerbern ihm die Lieferung der Schulbänke übertrug. Freilich mußte er sich verpflichten, die Bestellung bis zum i. März des folgenden Jahres auszuführen. Um diesen Zeitpunkt einhalten zu können, sah er sich genötigt, einen zweiten Gesellen anzunehmen, einen größeren Vorrat Holz zu kaufen und dafür einen Lagerplatz zu mieten. Der Holzhändler verlangte indessen für seine Lieferung sogleich eine größere Teilzahlung, und der Eigentümer des Lagerplatzes hatte sich vierteljährliche Voraus- bezahlung der Miete ausbedungen. Da galt es, möglichst viel Geld flüssig zu machen; denn der Meister wußte wohl, daß für einen Ge- schäftsmann kaum etwas nachteiliger ist, als wenn er in den Ruf eines „faulen Zahlers“ kommt. Er sah deshalb seine Bücher durch und schrieb den Kunden, an die er noch eine Forderung hatte, Rech- nungen aus. Wenn ein Kunde bereits längere Zeit mit der Zah- lung im Rückstände war, so setzte er die Worte hinzu: „Um bal- dige Begleichung wird höflichst gebeten.“ Hiermit hatte er in den meisten Fällen Erfolg. Nur drei seiner Kunden ließen nichts von sich hören, obwohl er seinen Lehrling mit einer quittierten Rechnung zu ihnen geschickt, darauf anfänglich milde, später dringende Mahnbriefe an sie ge- richtet und endlich hinzugefügt hatte, daß er die Hülfe des Gerichts in Anspruch nehmen würde. Der erste dieser säumigen Zahler war der Althändler Mohr, von dem Meister Streich für einige Ausbesserungen an den Laden- tischen 5,60 Mark zu fordern hatte. Freilich wunderte es den Meister kaum, daß er nur mit Mühe zu diesem geringfügigen Be- trage gelangen konnte; denn er wußte, daß Mohr nie recht im klaren darüber war, was er von seinen Geschäftsfreunden zu for- dern hatte, und was er ihnen schuldete, weil er kein Freund einer geordneten Buchführung war. Diese Nachlässigkeit verursachte ihm noch andere Verdrießlich- keiten und Verluste. So war Mohr fest davon überzeugt, daß er zu hoch zur Einkommensteuer veranlagt sei; aber alle seine Be- schwerden waren vergeblich, da er ohne ordnungsmäßig geführte Geschäftsbücher nicht nachweisen konnte, wie hoch sein Einkommen wirklich war. Meister Streich war es müde, sich von diesem Manne noch weiter hinhalten zu lassen. Deshalb richtete er an das Amtsgericht folgende Eingabe: „Der Althändler Mohr hierselbst, Langstraße 16, schuldet mir laut anliegender Rechnung für Schreinerarbeiten 5,60 Mark. Trotz wiederholter Mahnung, zuerst durch Brief vom 6. Juni d. J., ist von ihm keine Zahlung zu erlangen gewesen. Ich beantrage deshalb, gegen ihn einen Zahlungsbefehl auf 5,60 Mark nebst 4 °/o Zinsen vom Tage der ersten Mahnung an zu erlassen.“ Das Amtsgericht entsprach diesem Antrage binnen wenigen Tagen und ließ dem Althändler Mohr durch einen Gerichtsvollzieher einen Zahlungsbefehl zustellen, der folgendermaßen lautete:
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