1910 -
Leipzig [u.a.]
: Teubner
- Autor: Gehrg, Hermann, Stillcke, Fr., Helmkampf, Adolf, Krausbauer, Theodor
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1909
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch, Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Ländlich-gewerbliche Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
1. In der Werkstätte und auf dem Arbeitsplatz. 109
wolle, besonders wenn sie mit Kalk von der Haut des Schafes
entfernt wird (Gerberwolle).
2. Die Schafwolle wurde im Abendlande schon in früher Zeit
verwendet, während sie in den asiatischen Ländern, die zur Schaf-
zucht wenig geeignet sind, immer eine untergeordnete Rolle ge-
spielt hat. Die Heimat der europäischen Schafzucht ist Spanien,
wo schon im Altertum das dort lebende Merinoschaf gezüchtet
wurde. Besonders bedeutsam war die 1765 erfolgte Einführung
des Merinoschafes nach Sachsen, dessen heutige Rasse die dünnsten
und fein welligsten Wollen liefert. Von größtem Erfolge war die
Einführung der Schafzucht in Australien und Neuseeland am Ende
des achtzehnten Jahrhunderts. Die ursprünglich straffen, unbrauch-
baren Haare dieser Schafe verwandelten sich alsbald unter dem
Einflüsse des australischen Klimas in gute Wolle. Gegenwärtig
liefert das australische Schaf, veredelt durch Kreuzungen mit eng-
lischen Schafen und Merinos, eine Wolle, die den besten Merino-
wollen an die Seite gestellt werden kann. Auch in Südamerika
wird seit langer Zeit die Schafkultur in großem Maßstabe be-
trieben. In Nordamerika ist sie in neuerer Zeit rasch empor-
geblüht. Trotz der Zunahme der Wollindustrie in den industriellen
Ländern Europas ist ihre Wollproduktion in Abnahme begriffen,
da sie mit der von der Natur so begünstigten Produktion der
außereuropäischen Länder nicht konkurrieren kann. Die Woll-
einfuhr nach Europa nimmt daher beständig zu. Fast die Hälfte
der in Europa erzeugten Wolle liefert Rußland. Der Handel mit
der außereuropäischen Wolle liegt fast ganz in den Händen der
Engländer.
3. Untersucht man eine Wollfaser unter dem Mikroskop, so
sieht man, daß sie aus drei Teilen zusammengesetzt ist, welche
man Schuppen-, Rinden- und Markschicht nennt. Die äußerste
Schicht, die Schuppenschicht, ist von dünnen, hornartigen
Schuppen gebildet, die dachziegelartig übereinander liegen. Bei
den feinen Wollsorten ist meist eine einzige Schuppe genügend
groß, um das ganze Haar ringförmig zu umfassen, so daß das
Wollhaar aussieht, als bestände es aus lauter ineinander gesteckten
Bechern. Die Schuppen sind das eigentümliche Merkmal der Schaf-
wolle und machen ihre mikroskopische Erkennung zu einer leichten
Aufgabe. Auf dem Vorhandensein der Schuppenschicht beruht
wahrscheinlich die Filzfähigkeit oder Krimpkraft, die Vorbedingung
für das Walken der Tuche. Auf der Art der Anordnung der
Schuppen beruhen ferner der Glanz und die mehr oder weniger
große Leichtigkeit, mit der die Wolle beim Netzen und Färben
Wasser und Farbstoff aufzunehmen vermag. Die Rindenschicht
besteht aus schmalen spindelförmigen Zellen, die dem Wollhaar
seine Festigkeit verleihen. Die Mark Schicht ist weniger wichtig,
da sie gerade bei den vollkommensten Wollhaaren gänzlich fehlt.
Ja, es ist der mehr oder weniger große Markgehalt eines Woll-