1913 -
Leipzig [u.a.]
: Teubner
- Autor: Gehrig, Hermann, Sonnenschein, A., Oldenburger, G.
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1905
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch, Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Bergmännische Schule, Hüttenmännische Schule
- Inhalt Raum/Thema: Berufsbildung
- Geschlecht (WdK): Jungen
Wissenschaftliche Grundlagen des Bergbaues 143
Sonnenstein, bei den alten Deutschen Glas genannt, erhielt dies
Mineral später den Namen Bernstein (brennender Stein), weil es
am Feuer schmilzt und aufflammt. Der Geruch der Flamme ist
lieblich. Der Bernstein ist ursprünglich ein Baumharz, das nach
Jahrhunderten durch Druck und Luftabschluß versteinert ist.
Häufig findet man Stücke, in denen Ameisen, Fliegen, Würmchen,
Sandkörner, Moos und Wassertropfen eingeschlossen sind. Er
muß leichtflüssig gewesen sein, ehe er die Insekten überzog und
in den durchsichtigen Kerker einsperrte, wo sie, von keiner Luft
berührt, sich unversehrt erhalten haben. Man nimmt an, daß vor
vielen Jahrtausenden ausgedehnte Nadelwälder, welche den Ost-
seestrand bedeckten, durch gewaltige Erdumwälzungen zugrunde
gegangen sind. Ihr Holz ist abgestorben; aus dem weichen kle-
benden Harz ist unter dem Drucke der darauf lastenden Massen
ein fester, gelber, glänzender Stein geworden.
2. Wenn ein Sturm die Tiefen des Meeres aufgewühlt hat
und die noch bewegten Wellen ihren Reichtum ans Land werfen,
dann eilen die Bewohner der Küsten dem Strande zu, den Bern-
stein zu fischen. Mit ihren langen „Käschern“ gehen sie dem
Wellenschläge entgegen und schöpfen den Seetang und das an-
schwimmende braune „Sprockholz“ und mit diesem den Bernstein.
Oft sind zwei bis drei große Wellen hinreichend, die Netze zu
füllen. Und eine einzige Welle wirft oft mehrere Pfund des
schönsten Bernsteins ins Netz. Weiber und Kinder durchsuchen
die Beute, und Aufseher nehmen den gewonnenen Bernstein in
Empfang. Es ist kein leichtes und müheloses Geschäft, das die
harten Männer des Ostseestrandes hier betreiben. — Als man er-
mittelte, daß das Ufer in seinem Schoße den Bernstein berge,
machte man sich an das Graben des Bernsteins. Auch durch
Baggern und durch Taucher wird viel Bernstein gewonnen.
Freilich ist der gefundene Bernstein Eigentum der Regierung oder
ihres Pächters und muß deshalb abgeliefert werden; doch erhalten
die Finder einen angemessenen Lohn. Man findet, besonders in
Bernsteingräbereien, öfter Stücke von mehreren Pfund, wovon
eins wohl 6000 Mark und mehr wert ist. Im Jahre 1878 wurden
ander Ostseeküste zwischen Palmnicken und Schwarzort 139 700 kg
Bernstein gewonnen, wobei 3000 Menschen Beschäftigung fanden.
Im Jahre 1890 belief sich der Gewinn schon auf 156 000 kg.
Dazu kommen noch die an der übrigen Ostseeküste gesammelten und
die weiter im Lande gegrabenen nicht unbedeutenden Mengen Bernstein.
3. Schon die Phönizier sollen an die Ostsee gekommen sein,
um Bernstein durch Tauschhandel zu erlangen. Man schätzte ihn
im Altertum und gebrauchte ihn zum Räuchern und zur Her-
stellung von Schmucksachen. Noch jetzt wird der Bernstein
durch den Handel besonders nach dem Morgenlande gebracht.
Aber auch bei uns wird er von den Bernsteinarbeitern zu Pfeifen-
spitzen, Dosen, Knöpfen, Perlen und Schmucksachen verarbeitet,