1913 -
Leipzig [u.a.]
: Teubner
- Autor: Gehrig, Hermann, Sonnenschein, A., Oldenburger, G.
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1905
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch, Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Bergmännische Schule, Hüttenmännische Schule
- Inhalt Raum/Thema: Berufsbildung
- Geschlecht (WdK): Jungen
D. Bürgerkunde
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Die Sorge für die Sicherheit des Staates führte im Anfange des
vorigen Jahrhunderts (Preußens Wiedergeburt) zur Einführung der all-
gemeinen Wehrpflicht in Preußen; diese Pflicht ist durch die „Deutsche
Wehrordnung" auf das ganze Reich übertragen worden. Jeder Militär-
dienstfähige ist vom 17. bis zum vollendeten 45. Lebensjahre wehrpflich-
tig und kann sich in Ausübung dieser Pflicht nicht vertreten lassen. (Land-
heer oder Marine.) Die Wehrpflicht dauert als aktive Wehrpflicht sieben
Jahre, von denen zwei oder drei Jahre bei der Fahne „abgedient" wer-
den müssen (Einjährige!); während der übrigen Zeit wird der Soldat
zur Reserve entlassen. Nach Ablauf der sieben Jahre tritt er zur Land-
wehr über (erstes und zweites Aufgebot); mit dem 39. Lebensjahre wird
er landsturmpflichtig. Der Landsturm umfaßt alle Wehrpflichtigen vom
17. bis zum 45. Jahre, auch die nicht ausgebildeten Mannschaften. So
ist unser Heer ein Volksheer; es bildet eine große Erziehungsanstalt un-
serer waffenfähigen Jugend zu körperlicher Tüchtigkeit, Waffenfähigkeit,
Mut und Gehorsam. Auf diesem Heere beruht vorwiegend die Macht und
das Ansehen unseres Deutschen Reiches. — Kraftvoll hat sich unter der
Regierung Kaiser Wilhelms Ii. auch die Marine entwickelt; vor vierzig
Jahren noch ziemlich unbedeutend, steht sie jetzt schon an vierter oder
fünfter Stelle unter den Flottenmächten. Hat sie auch noch nicht wie das
Landheer in ernstem Kampfe ihre Leistungsfähigkeit erproben können, so
blickt doch jeder Deutsche mit stolzem Vertrauen auf die gewaltigen Panzer-
schiffe und die schnellen Torpedoboote, die sich in den Reichskriegshäfen
Kiel und Wilhelmshaven dem Auge darbieten.
Schon lange vor der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht hatten
die preußischen Könige, besonders Friedrich Wilhelm I. und Friedrich der
Große mit der Durchführung einer anderen Pflicht begonnen. Es ist die
allgemeine Schulpflicht, nach welcher jeder Staatsbürger gehalten ist, seine
Kinder vom 6. bis 14. Lebensjahre dem öffentlichen Unterrichte zuzu-
führen oder für ausreichenden Ersatz (unter staatlicher Kontrolle) zu sor-
gen. Man unterscheidet die öffentlichen Schulen in Volksschulen (mit ihrer
Fortsetzung, den Fortbildungsschulen), Mittelschulen und höhere Schulen.
Dazu kommen Fachschulen aller Art, von denen allerdings viele, wie die
Bergschule in Bochum, nichtstaatliche Anstalten sind, sondern von Kor-
porationen (Berggewerkschaftslasse) unterhalten werden.
Die vierte Staatsbürgerpflicht betrifft die Übernahme öffentlicher
Ämter. Schon im Gemeindeleben ist jeder Bürger zur unentgeltlichen
Übernahme gewisser Ämter (Ehrenämter) verpflichtet, so z. B. als Armen-
pfleger, als Gemeindevertreter, Schulvorsteher und Schiedsmann. Der
Staat hat eine größere Anzahl solcher Ehrenämter eingerichtet. Dazu ge-
hören das Amt eines Beisitzers oder Schöffen bei den Amtsgerichten oder
Gewerbegerichten, das Amt eines Geschworenen bei den Landgerichten,
das Amt eines Mitgliedes der Einkommensteuerkommissionen (Voreiu-
schätzungs-, Veranlagungs-, Berufungskommission), das Amt eines Vor-
mundes, eines Pflegers. In der Erfüllung solcher ehrenamtlichen Pflich-
ten wird ein guter Staatsbürger gewissenhaft bemüht sein, das Wohl der
Gesamtheit zu fördern.