1912 -
München [u.a.]
: Oldenbourg
- Autor: Kracher, Fritz, Baier, Hans
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Kaufmännische Schule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): Jungen
155. Eine deutsche Stadt im Mittelalter.
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meiner Kenntnis brachten, haben wieder einmal gezeigt, welch
feste Stütze wirtschaftlicher Unternehmungsgeist an einer startet:
und einsichtsvollen Staatsgewalt gewinnen kann. So sind unsere
Aussichten im Wettbewerbe der Völker nicht schlecht; wir dürfen
hoffen uns zu behaupten und unser zu nennen, was Fremden ::icht
gehören darf. Wer aber diese glückliche Lage richtig würdigen, ihre
Voraussetzungen und Bedingungen verstehen will, der wird wohl
tun, die „deutsche Hanse" nicht außer acht zu lassen. Ihr Name
darf mit Stolz von jedem Deutschen genannt werden.
Dietrich Schäfer.
X 155. Eine deutsche Stadt im Mittelalter.
Um 1300 liegt die Stadt noch zwischen Wald und Wasser, von
Holz, Teich, Bruch und Heide umgeben. Aus der Heide führt die
Straße durch die Landwehr, eitlen Wall nüt Graben, der das Stadt-
gebiet in weitem Kreise umzieht. Der Wall ist mit Dornengebüsch
und Knicken besetzt um die Feinde abzuhalten. Hinter der Land-
wehr zeigt sich die Stadt, die Morgensonne glänzt von den Kuppeln
der Stadtkirchen. Eine Binnenniauer scheidet die alte Stadt von
einem neueren Teile; die Tore werden bei Nacht geschlossen. Sehr-
groß ist die Zahl der quadratisch oder rund gebauten Mauertürme.
München hat damals gegen 100, Frankfurt zwischen 60 und 70.
Erker springen aus der Matter vor nach dem Stadtgraben; sie sind
zum Teil heizbar, zierlich gedeckt und mit metallenen Kugeln ge-
schmückt. Vor der Stadt steht auf einer Anhöhe der Rabenstein
und schwarze Vögel fliegen dort um formlose Bündel an dem hohen
Stadtgalgen. Beim Hochgericht vorbei führt der Weg durch Äcker,
Weiden und Gemüsegärten. Auf luftigen Stellen drehen nahe der
Mauer Windmühlen ihre Flügel. Wo ein Bach durch Wiesen läuft,
klappern die Rüder von Wassermühlen. Über den Fluß führt eine
Brücke. Sie bildet obe:r einen gedeckten Gang, mit Türmen an beiden
Usern. In der Mitte ihrer Spannung steht das Bild des Schutz-
heiligen mit Kruzifix und einem Opferstocke.
Wer am Morgen die Stadt betritt, der begegnet sicher zuerst
dem Stadtvieh. Denn auch in den große:: Reichsstädten treibt der
Bürger Landbau, auch vornehme Häuser haben in engem Hofraum
Viehställe und Schuppen. In den Straßen der Stadt traben die
Kühe, ein Schäfer führt mit seinem Hunde die Schafherde ans die
nahen Höhen. Die Schweine fahren durch die Haustüren in die
Häuser und suchen auf dem Wege ihre unsaubere Nahrung. Der Rat
verbietet zuweilen Schweineställe an der Straße zu bauen. Auch
der Mist fehlt nicht; auf abgelegenen Plätzen lagern große Haufen,