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1. Lesebuch für kaufmännische Schulen - S. 348

1912 - München [u.a.] : Oldenbourg
348 159. Die alten Zollschranken. Nach einigen Stunden standen die Reisenden an der hannover- schen Grenze vor einem Zollhause. Ein Beamter trat an den Wagen- schlag und fragte: „Haben die Herrschaften etwas Zollbares?" Der Herr Professor sprach mit Gewissensruhe: „Nein!" während die Frau Professorin leicht errötete. „Ich muß Sie bitten auszusteigen; der Wagen muß untersucht werden," begann der Beamte wieder. Willig stiegen die Insassen aus, der Beamte in den Wagen, aber ebenso schnell wieder heraus. „Es war dies meine Pflicht," sagte der höfliche Hannoveraner; „reisen Sie glücklich," fügte er hinzu. Ohne Anstand ging die Reise weiter. Andern Tags standen die Reisenden vor einem Schlagbaum von Bückeburg. Dort spielte sich eine ähnliche Untersuchung ab, die ebenso glücklich ablief. Mit unendlicher Seelenruhe stieg der Herr Professor wieder zu Wagen, während um die Lippen der Frau Professorin ein triumphierendes Lächeln spielte. Es dauerte nicht zwei Stunden, so hielten die Reisenden vor einem Zollhause von Lippe-Detmold. Der herantretende Zoll- wächter machte ein höllisch brutales Gesicht und verlangte den Wagen zu untersuchen, obwohl die Reisenden auf Ehrenwort versichert hatten etwas Zollbares nicht zu besitzen. Der Zollbeamte stieg in den Wagen, hob das Sitzkissen auf und sah in den Kutschkasten. „Was ist in dem Sack da?" rief der Beamte, indem er den verhängnisvollen Kaffeesack dem erstaunten Herrn Professor vor die Augen hielt. Die Frau Professorin wurde leichen- blaß und fand es für das zweckmäßigste sofort in eine tiefe Ohnmacht zu sinken. Ihr Gatte war durch diese Vorgänge entsetzlich erregt und trug zunächst seine teure Gattin in das Zollhaus. Während der Gatte die Gattin ins Leben zurückzurufen bemüht war, waren die Zollbeamten beflissen den Sack Kaffee, welchen die Frau Pro- fessorin gegen Willen und Wissen ihres Gatten heimlich mitgenommen hatte, zu wiegen, den Zoll und die Strafe dafür zu berechnen. Als dies alles fertig war, erwachte die Frau Professorin wieder. Der Gatte war darüber glückselig, vergaß dabei die Erleichterung, die seinem Geldbeutel soeben zuteil geworden, und war schonungsvoll genug der angegriffenen Gattin jeden Vorwurf wegen des Kaffees zu ersparen. Als sich aber die letztere wieder erholt hatte, so bestand sie darauf, daß der kontreband gemachte Kaffee eingelöst, verzollt und als zollpflichtiges Gut mit nach Hause genommen werde. So ungern der Herr Professor darein einwilligte, so wollte er doch die liebe Gattin nicht aufregen und löste deshalb den Kaffee ein. Ohne weiter viel zu fragen nahm die Frau Professorin ihren Kaffeesack, steckte denselben wieder in den Kutschkasten und hurtig ging die Reise weiter.
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