1912 -
München [u.a.]
: Oldenbourg
- Autor: Kracher, Fritz, Baier, Hans
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Kaufmännische Schule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): Jungen
195. Porzellan, Steinzeug und Fayence.
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Menschen damals recht häufig, so daß die Fürsten sich Leib-Alchemisten
hielten um den Stein der Weisen recht fleißig arbeiten zu lasset!.
Die Unglücklichen hatten meist, wenn ihr Unvermögen erkannt
war, das traurige Schicksal, an vergoldetem Galgen gehenkt zu
werden. Einen berühmten Alchemisten B ö t t g e r hatte auch
der Kurfürst von Sachsen Friedrich August in seinen Dienst ge-
nommen und ließ ihn, damit der goldene Vogel nicht etwa Lust
verspüren konnte davon zu fliegen, aufs strengste bewachen. Aber
es half alles nichts, auch Böttger lernte es nie Gold aus Eisen
oder Kupfer zu fabrizieren und sah bereits seinen sichern Tod vor
Augen. Da glückte ihm 1709 noch im letzten Augenblick, was bis-
her ebenfalls ohne jeden Erfolg von vielen probiert worden und
was ebenso wertvoll war wie das blinkende Gold, die Herstellung
von Porzellan.
Diese wertvollste aller Töpferwaren wird aus weißem, bestem
Kaolin bereitet, dem je nach seiner Zusammensetzung wechselnde
Mengen von Feldspat und Quarz zugemischt werden. Diese Zu-
sätze werden zunächst geglüht und dann in Wasser abgeschreckt,,
wodurch sie spröde und leicht zerreiblich werden; dann werden
sie gemahlen und darauf mit Wasser einem Schlämmprozesse unter-
worfen, bei dem alle gröberen Teile sich absetzen und nur die fein-
sten Teilchen von dem Wasserstrom in den dafür bestimmten Be-
hälter geleitet werden. Das Kaolin wird in derselben Weise ge-
schlämmt und dann in bestimmtem Verhältnis mit den dünnen
Aufschwemmungen von Feldspat und Quarz sorgfältig durchmischt,
worauf die Porzellanmasse in Filterpressen bei 10 Atm. Druck
abgepreßt und zuletzt durch Treten, Kneten und Schlagen von
Luftblasen befreit und gedichtet wird. Aus dieser Masse werden
nun die Gegenstände vom einfachen Teller bis zu den kostbarsten
Vasen und Figuren geformt. Dieses Formen wird teils mit der
Hand, unter Zuhilfenahme der Töpferscheibe, einer horizontalen
Drehscheibe, die durch die Füße getrieben wird, teils nach Gips-
formen vorgenommen; andere Gegenstände werden vollständig nur
mit der Hand geformt, wieder andere werden gegossen; im letz-
teren Falle benutzt man Gipsformen, in welche man die dünn-
breiige Porzellanmasse hineingießt, aus der der poröse Gips schnell
das Wasser in sich einzieht.
Die geformten Sachen werden dann sehr langsam getrocknet
und darauf „verglüht" oder „roh gebrannt", d. h. auf 700 bis 800 o c
erhitzt um genügend Festigkeit zur Aufnahme der Glasur zu be-
kommen. Dieselbe besteht aus denselben Bestandteilen wie die
Grundmasse oder der „Scherben", also aus Kaolin, Feldspat und
Quarz, doch in etwas anderem Verhältnis. Die Glasurmasse ist