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1. Lesebuch für kaufmännische Schulen - S. 61

1912 - München [u.a.] : Oldenbourg
32. Die nute Mutter. 61 Zwei Stunden von Colmar, als schon die Sonne sich zu beit Elsässer Bergen neigte, die Hirten heimtrieben und die Kamine in den Dörfern rauchten, sahen sie, wie die Soldaten in dem Lager nicht weit von der Straße haufenweise mit dem Gewehr bei Fuß standen, die Generale und Obersten aber vor dem Lager mitein- ander sich unterredeten und eine dabeistehende junge Frau voit feiner Bildung auf ihren Armen ein Kind wiegte. Die Frau int Postwagen sagte: „Das ist auch keine gemeine Person, da sie nahe bei den Herren steht. Was gilt's, der, welcher mit ihr redet, ist ihr Mann!" Der geneigte Leser fängt bereits an etwas zu merken; aber die Frau im Postwagen merkte troch nichts. Ihr Mutterherz hatte noch keine Ahnung, so nahe sie an ihm vorbeigefahren war, sondern bis nach Colmar hinein war sie still uttd redete nimmer. In der Stadt im Wirtshaus, wo scholl eiue Gesellschaft an der Mahlzeit saß und die Reisegefährten sich auch noch hinsetzten, da war ihr Herz erst recht zwischetr Bangigkeit nnb Hoffnung ein- geengt, da sie ja jetzt erfahren konnte, ob niemand ihren Sohn kenne, ob er noch lebe und ob er etwas sei; doch hatte sie nicht den Mut zu fragen, denn es gehört Herz dazu eine Frage zu tun, wo man das Ja so gerne hören möchte und das Nein doch möglich ist. Auch meinte sie, jedermann merke es, daß es ihr Sohlt sei, nach dem sie frage, und daß sie hoffe, er sei etwas geworden. Ettdlich aber, als ihr der Diener des Wirtes die Suppe brachte, hielt sie ihn heimlich am Rocke fest und fragte ihn: „Kennt Ihr nicht einetr bei der Armee oder habt Ihr nicht von einem gehört so und so?" Der Diener sagte: „Das ist ja unser General, der im Lager steht; heute hat er bei uns zu Mittag gegessen", und zeigte ihr den Platz. Aber die gute Mutter gab ihm wenig Gehör darauf, sondern tneinte, es sei Spaß. Der Diener ruft den Wirt, der Wirt sagt: „Ja, so heißt der General." Ein Offizier sagte auch: „Ja, so heißt unser General." Uttd auf ihre Fragen antwortete er: „Ja, so alt kann er seit:," und "Ja, so sieht er aus und ist von Geburt eilt Schweizer." Da tonnte sie sich nicht mehr halten vor inwendiger Bewegmtg uttd sagte: „Es ist mein Sohtt, den ich suche", und ihr ehrliches Schweizer Gesicht sah fast ein wenig einfältig aus vor unverhoffter Freude und vor Liebe und Scham. Denn sie schämte sich vor so üieien Leuten, daß sie eitles Generals Mutter sein sollte, und konnte es doch nicht ver- schweigen. Aber der Wirt sagte: „Wenn das so ist, gute Frau, so laßt herzhaft Euer Reisegepäck von dem Postwagen abladen itnb erlaubt mir, daß ich morgeu in aller Frühe ein Kaleschlein anspatttten lasse und Euch hinausführe zu Eurem Herrn Sohn in das Lager." Am Morgen, als sie in das Lager kam und den General sah, ja, so war es ihr Sohit und die junge Frau, die gestern mit ihm
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