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1908 -
Zweibrücken
: Kranzbühler
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Volksfortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
greifen kann. Nachher kann ich wiederkommen und mit dir spielen."
„Du mußt aber auch gewiß kommen!" sagte das Kind eifrig. Der Arzt
schritt wacker ans und Vabeli hielt gleichen Schritt mit ihm. Manches
fragte der Arzt und das Mädchen antwortete verständig. „Wie alt ist
Hciri?" fragte sic. „Er ist am 12. Januar 1746 geboren, steht also im
fünften Jahre. Er ist ein schwächlich und häßlich Kind," sagte der Arzt
mit einem Seufzer. „Hat aber so schöne Augen und ein liebes Wesen!"
rief das Mädchen eifrig und der Arzt nickte dazu. So erreichten sic den
Bauernhof. Der Arzt untersuchte den verletzten Arm. „Ans dem Kugel-
gelenke gefallen!" sagte er. „Zwei Männer müssen kräftig ziehen, damit
der Knochen oben wieder in feine Pfanne zurückspringt." Es war aber
nur ein Mann anfzutreiben, da alles im Felde war. „So will ich der
zweite sein," sagte Babcli; „ich denke schon meinen Miaun zu stellen."
Und tapfer half sie ziehen, also daß ihr der Schweiß ausbrach. Ter
Verletzte ächzte und stöhnte, sie aber sprach ihm Mut ein. Endlich war
alles überstanden, der Arm verbunden und der Verletzte sicher gebettet.
Der Arzt wollte gehen, gab dem Mädchen die Hand und sagte:
„Du bist eine Brave! Am liebsten nähme ich dich mit. Du könntest
mir schon in meinem Hanse passen!"
„Warum nicht, Herr Doktor?" rief das Mädchen erfreut. „Ich bin
mutterseelenallein in der Welt. Die Base hat mich um Gottes willen in
das Haus genommen, aber sie braucht mich nicht. Ich suche halt einen
Dienst und wünsche mir keinen lieberen als bei Ihnen."
„Das paßt ja gut," sagte der Arzt. „So schnür' dein Vündelchcn
und komm mit!"
Wie ein munteres Reh sprang Vabeli davon, packte ihre Sieben-
sachen in den Korb und sagte der Base „Behüt' Gott!" — Niemand
war froher als Hciri, da das Babcli wiederkam. Er sprang ihr an den
Hals und küßte sic. „Lieb's Babeli, du bist nun unser!" sagte er voll
Freude. Mit dem fvemben Mädchen kam ein Geist des Friedens und
Gedeihens in das Hans. Frisch und rasch griff sie ihre Arbeit an. Auch
die schwerste und lästigste scheute sie nicht. Ohne Lärm ging ihr alles
von der Hand. Alles Ungehörige sah ihr scharfes Auge und schlichtete
ihre sanfte und sichere Hand. Den Heller hielt sie zu Rate und keinen
Faden verschleuderte sie. Die drei Kinder hütete sie wie einen Schatz.
Besonders den schwächlichen, unbeholfenen Heinrich schloß sie ins Herz.
Er hatte so liebe Augen und ein so gutes Herz, dabei aber so ungeschickte
Hände und Füße, daß das Zerbrechen n.nd Fallen kein Ende nahm.
Der Arzt Pestalozzi segnete den Tag und die Stunde, da er
Vabeli ins Hans genommen hatte. Eine seltene Kraft und Treue