1908 -
Zweibrücken
: Kranzbühler
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Volksfortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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sich endlich selbst eine Speisewirtschaft oder ein Gasthaus zu kaufen
oder zu pachten gedachte um dann als großer Herr zu leben. Der
arme Tischlergeselle dagegen konnte es höchstens zu einer beschei-
denen eigenen Werkstatt bringen, wo er zeitlebens hobeln und bohren,
sägen und nageln mußte um sein karges tägliches Brot zu verdienen.
Nein, was Heinrich Hacker konnte, das konnte er auch! Friedrich
Breitkopf ließ noch einmal den Hobel kräftig über sein Brett hin-
gleiten, warf ihn dann auf die Hobelbank und rief: „Meister, ich
mache Schicht!"
Meister Wernthal glaubte seinen Ohren nicht trauen zu dürfen.
Er blickte verwundert auf den Gesellen und fragte langsam: „Du
willst fremd werden?" „Jawohl, Meister," erwiderte Friedrich
trotzig, „ich habe das Hundeleben satt; ich kann etwas Besseres
werden und hänge den Tischler an den Nagel. Geben Sie mir meinen
Fremdenzettel und meinen Lohn, wenn Sie wollen!" „Hm, hm,"
brummte Meister Wernthal noch immer zweifelnd, „eigentlich
-----—" „Wenn Sie mir keinen Fremdenzettel und meinen Lohn
nicht geben wollen, so können Sie es bleiben lassen," fiel ihm
Friedrich noch trotziger ins Wort; „dann gehe ich ohne Fremdenzettel
und die paar Groschen Lohn kann ich missen!" „Nun, nun," ant-
wortete Meister Wernthal, „wenn es so mit dir steht, dann will ich
dich nicht halten, ’s ist freilich jetzt gerade viel zu tun; aber ich
bekomme schon einen anderen Gesellen, und was deinen Lohn an-
belangt, den kannst du auch bekommen."
Wenige Tage später stolzierte Friedrich Breitkopf gleichfalls
in Frack und weißer Weste umher, aber nicht auf dem Bahnhöfe,
sondern auf dem Ausstellungsplatze vor der Stadt. Es war nämlich
gerade eine Kunstgewerbe-Ausstellung für die ganze Provinz eröffnet
worden und so hatte Friedrich Breitkops schnell das Ziel seiner
Wünsche erreicht: er war Kellner in einem Ausstellungs-Ausschank
geworden und reichlich flössen die Trinkgelder in seine Tasche. Der
junge Tischlergeselle jubelte in seinem Herzen und im Geiste sah er
sich schon als Gasthofbesitzer in einer glänzenden Kutsche spazieren
fahren.
Einmal freilich in den letzten Tagen der Ausstellung war es
ihm etwas wunderlich zumute geworden. Der Meister Wernthal hatte
nämlich auch ein Werkstück ausgestellt, ein kunstvoll geschnitztes
Möbel aus Eichenholz, woran Friedrich Breitkopf selbst wacker mit-
gearbeitet hatte. Ein Schreibtisch war es, der von vornherein die
Aufmerksamkeit der Ausstcllungsbesucher auf sich gelenkt hatte.