1905 -
Schwerin i. M.
: Bärensprung
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch, Lehrbuch, Hilfsbuch
- Schultypen (WdK): Gewerbeschule
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbeschule
- Inhalt Raum/Thema: Berufsbildung
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Das Handwerkergesetz.
Mecklenburg - Schwerin und Mecklenburg - Strelitz ist eine gemeinsame
Handwerkskammer in Schwerin errichtet.
§ 1036. Die Handwerkskammer soll namentlich die Behörden in allen
Fragen, die das Handwerk berühren, mit ihrem Rat unterstützen,
soll die berechtigten Wünsche des Handwerks den Behörden über-
mitteln, das Lehrlingswesen regeln und das Prüfungswesen für
Gesellen und Meister in bestimmten Beziehungen ordnen.
Die Mitglieder (24) werden gewählt, und zwar von den Innungen,
Gewcrbevereinen und sonstigen Handwerkervereinen der beiden Groß-
herzogtümer; die einzelnen Innungen re. haben je nach der Zahl
ihrer Mitglieder mehr oder weniger Stimmen. Die Wahl geschieht
nach Handwerksgruppen: die in 6 Gruppen (I. Gruppe: Beköstigungs-
gewerbe, Ii. Baugewerbe usw.) eingeteilten Innungen des Großherzog-
tums Mecklenburg-Schwerin wählen 18 Mitglieder, die Gewerbe-
vereine re. wählen 3; das Großherzogtum Mecklenburg - Strelitz
wühlt 3 Mitglieder.
Bei der Handwerkskammer besteht auch ein Gesellenausschuß
(6 Mitglieder), welcher von den Gesellenausschüssen der einzelnen
Innungen gewählt wird. Dieser Gesellenausschuß hat — ähnlich
wie die Gesellenausschüsse der Innungen — an allen Beratungen
103i/k. und Beschlüssen teilzunehmen, welche die Gesellen und Lehrlinge
betreffen.
Die Handwerkskammer steht unter dem Ministerium des Innern,
welches ihre Tätigkeit durch einen Kommissar überwachen läßt.
Die lausenden Geschäfte werden durch den Vorstand geführt. Für
die Erledigung besonders wichtiger Angelegenheiten bildet die Hand-
werkskammer einzelne Ausschüsse, so z. B. für das Lehrlingswesen.
Die Handwerkskammer übt durch Beauftragte eine überwachende
Tätigkeit bezüglich aller Handwerksbetriebe ihres Bezirkes aus
(namentlich hinsichtlich der Einrichtung der Werkstätte und der Unter-
kunftsräume für die Lehrlinge).
Iv. Das Lehrlingswesen.
Eine besonders wichtige Aufgabe ist es, für eine tüchtige Aus-
bildung der Lehrlinge zu sorgen. Diese Ausgabe liegt vor allem
§ 126. dem Lehrherrn ob, und darum dürfen Leute, welche nicht im Besitz
der bürgerlichen Ehrenrechte sind oder wegen wiederholter grober
Pflichtverletzungen gegen ihre Lehrlinge bestraft sind, überhaupt
keine Lehrlinge halten. Aber auch das Anleiten von Lehrlingen steht
nicht jedem zu, sondern nur solchen, welche die Befugnis dazu er-
worben haben, d. h. welche entweder 3 Jahre ordnungsmäßig gelernt
und dann die Gesellenprüfung bestanden oder aber bereits 5 Jahre
§ 129. lang selbständig ein Handwerk betrieben haben oder in ähnlicher
Stellung (Werkmeister u. ä.) tätig gewesen sind.
Tritt ein Lehrling in die Lehre, so muß ein schriftlicher Lehr-
vertrag geschlossen und von dem Lehrherrn, dem Lehrling und dessen
Vater oder Vormund unterschrieben werden. Der Lehrvertrag muß,
wenn der Lehrherr einer Innung angehört, dieser eingereicht werden,
sonst der Handwerkskammer, damit letztere den Lehrling in die bei
ihr geführte Lchrlingsrolle eintragen kann.