1893 -
Trier
: Schaar & Dathe
- Autor: Koepper, Gustav
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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zusammengelaufen, vielleicht auch unter der Glut der Sonnenstrahlen
erst später zusammengeschmolzen und wurden dann bei irgendwelchen
Erdumwälzungen im Gestein verschüttet. 2m Laufe der Jahrtau-
sende hat der Balsam dann eine chemische Zersetzung erfahren,
welche begünstigt wurde durch den großen Druck, der aus den Massen
ruhte. Der Ostsee ewig gleiches Wellenspiel hat die Stätte der
Entstehung des Bernsteins vernichtet und die Überreste auf ihrem
Grunde begraben — so gelangte der Bernstein in das Wasser.
Allmählich hatten sich aber vom Norden her riesige Eismassen gen
Süden vorgedrängt — die Eiszeit brach herein. Was droben in
Schweden den Erdboden bedeckte, wurde von einer kristallklaren Eis-
kruste umgeben, und die Wogen der Ostsee, welche damals noch über
einen großen Teil Norddeutschlands flutete, trugen die Eisblöcke gen
Süden. Hier mußten sie den Strahlen der Sonne erliegen, und alles,
was ihr Inneres barg, mußte zu Boden sinken. So ist es gekommen,
daß wir heute den Bernstein nicht nur an der Ostseeküste, sondern
auch weiter innen im Lande finden. In dem Schwemmland des
Elsaß, Schlesiens, Westfalens, in Westpreußen, Pommern und in
Sachsen hat man den Bernstein gefunden, und auch im Sande der
Vraunkohlenformation ist er durchaus nicht selten.
Als Zeichen der Echtheit verweist man auf die häufigen Ein-
schlüsse, welche Bernstein aufweist. Diese Einschlüsse sind von hoher,
wissenschaftlicher Bedeutung, denn sie beweisen uns, daß zu jener
Zeit Insekten gelebt haben, deren Arten heute nicht mehr vertreten
sind. Fliegen, Ameisen, Spinnen, sogar Schnecken hat man in dem
Bernstein gefunden, und jene Überreste aus längst vergangenen Zeiten
sind so gut erhalten, daß der Fachmann an ihnen jedes Härchen erkennt.
Pflanzliche Überreste werden im Bernstein in weit größerer Menge
gefunden. Nicht nur Vlütenkätzchen von Kastanien und Eichen, sondern
auch Blätter oder Vlattstücke von Fächerpalmen und Zimmtbäumen
hat man im Bernstein gefunden. Werden von diesen Einschlüssen
Dünnschliffe angefertigt, so sieht man, daß nicht mehr jene Insekten
oder Blattreste selbst vor uns liegen. Die organische Masse ist zerstört,
und nur der haarscharfe Abdruck ist übrig geblieben. Der innere Hohl-
raum ist von einer kohligen Masse ausgefüllt. 2m ganzen hat man
bis jetzt 163 verschiedene Pflanzen- und Tierreste im Bernstein be-
stimmt. Als Familienerbstücke werden hier und da Schmuckstücke aus
Bernstein aufbewahrt mit irgend welchen derartigen Einschlüssen.
2nteressant ist die mikroskopische Untersuchung des Bernsteins.
Bei entsprechender Vergrößerung kann man in dem fossilen Harz Hohl-
räume entdecken, welche den tausendsten Teil eines Millimeters oder
auch weniger messen. An den Wänden dieser feinen Bläschen bricht
sich das Licht vieltausendfältig und ruft Färbungen des Bernsteins
hervor, welche in der Regel einen weißlichen Ton besitzen. Derselbe