1906 -
Leipzig
: Hahn
- Autor: Wehrhan, Karl, Kleineberg, W.
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1901
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde?
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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wurde schließlich die Terrasse nach dem Lustgarten hinzugefügt und
von Schlüter die kuppelgeschmückte Kapelle im Westflügel erbaut. Von
den 700 Zimmern des weiten Schlosses ist das berühmteste der
Weiße Saal, der bei allen im Schloß stattfindenden großen Staats-
seierlichkeiten benutzt wird. Er ist mit vielen Statuen und Gemälden
geziert und steht durch ein Treppenhaus mit der ebenfalls reich
geschmückten Schloßkapelle in Verbindung, die an 700 Personen faßt.
Vom Schloßplatz führt die Kurfürstenbrücke über die
eigentliche Spree in das alte Berlin. Auf derselben steht das unsterb-
liche Werk Schlüters, das Reiterstandbild des Großen
Kurfürsten. Es stellt den siegreichen Helden in ruhiger Majestät
dar, in der Hand den Feldherrnstab, das kühne Auge dem Schlosse
zugewendet. Jenseits der Brücke liegen die Anfänge Berlins, das
aus einem Fischerdorfe sich zur Kaiserstadt entwickelte.
Westlich vom Schlosse, an der Schloßfreiheit, zeigt sich dem
Auge das Nationaldenkmal für Kaiser Wilhelm I. Das
Denkmal ragt bis 20 m empor. Roß und Reiter haben die gewaltige
Höhe von 9 m. Der Kaiser im Feldmantel zügelt das Roß, das
von einem Friedensgenius geleitet wird. Verschiedene allegorische
Figuren versinnbildlichen den Kampf und den Frieden. Eine Sand-
steinhalle, deren Eckpavillons bronzene Viergespanne tragen, umgibt
das Denkmal auf drei Seiten.
Welche gewaltige Entwicklung liegt zwischen der Zeit, die das
Denkmal Kaiser Wilhelms verkörpert, und derjenigen, die durch das
Standbild des Großen Kurfürsten dargestellt wird! Als der Große
Kurfürst 1640 die Regierung antrat, zerfleischten sich die deutschen
Stämme im wildesten Bruderkriege, und das schwache Kurfürstentum
Brandenburg hatte im 30jährigen Kriege keine ausschlaggebende Rolle
zu spielen vermocht. Unter Kaiser Wilhelm aber sehen wir Preußen
nach einem siegreichen Kampfe mit unsern westlichen Nachbarn, den
Franzosen, an der Spitze der deutschen Stämme und Deutschland
wieder mächtig und stark, das Sehnen der Väter erfüllt: Ein Kaiser
Und ein Reich ! Nach H. Albrecht.
23. Einkehr in der Herberge.
In der Schuhmacherhcrberge zu Lüneburg klopfte es an die Stuben-
tür. Timotheus Schneck, ein wandernder Schustergeselle, trat ein und
sagte: „Schönen guten Abend, Frau Mutter! Ist der Herr Vater nicht da?"
Die er so begrüßte, war eine ältere, aber noch rührige Frau mit
rundem, rotem Kopf und hellen Augen darin. Von ihrem Haar war
nichts zu sehen; denn sie hatte ein gelbes Tuch um den Kops geschlungen,
daß der Knoten gerade auf dem Scheitel saß und die zwei langen Zipfel
wie ein Paar Hörner steif zu beiden Seiten standen. „Der Herr Vater
ist nicht zu sprechen," sagte sie, „er hat sich zu Schanden gemacht, hat