1906 -
Leipzig
: Hahn
- Autor: Wehrhan, Karl, Kleineberg, W.
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1901
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde?
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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aus dem Körper wieder heraus sei; dann aber müßte man es so
Lange reiben, bis die Wärme wiederkehre, und wenn dadurch das
Leben nicht zurückgerufen würde, sei alle Hilfe vergebens.
Da trat eine junge Dame, welche erst seit wenigen Wochen als
Erzieherin im Hause war, vor und erhob bescheiden, aber mit großer
Bestimmtheit Einspruch gegen die vorgeschlagenen Maßregeln. Sie
habe erst vor kurzem an dem Unterricht in einer Samariterschule
teilgenommen und dort gelernt, wie man sich bei Rettungsversuchen
an scheinbar Ertrunkenen zu verhalten habe. Das, was der Schäfer
vorgeschlagen, sei durchaus nicht zweckmäßig. Wenn man ihr gestatten
wolle, das Erlernte hier anzuwenden, so hoffe sie, daß es noch möglich
sei, den Knaben wieder ins Leben zurückzurufen. Die Ruhe und
Zuversicht, mit welcher das junge Mädchen gesprochen, flößte der ver-
zweifelten Mutter neue Hoffnung ein. Sie bat die Erzieherin, alles
zu tun, was sie für nötig halte. Deren erster Rat war, einen
Eilboten nach der Stadt zu schicken, um den Arzt zu holen, der
zweite der, einige wollene Decken wärmen zu lassen. Dann legte sie
«ofort selbst Hand an, wobei sie das verständige Hausmädchen auf-
forderte, ihr Hilfe zu leisten. Mit einigen Scherenschnitten trennte
sie Jacke und Hemd und streifte die Kleider vom Oberkörper völlig
ab; mit einem Taschentuch entfernte sie den Schlamm, der sich im
Munde befand, zog die Zunge hervor und band die Spitze derselben
mit dem Taschentuch auf dem Kinn fest; dann begann sie mit dem
Hausmädchen die künstlichen Atembewegungen auszuführen, wie sie
es in der Samariterschule gelernt hatte. In stets gleichem Tempo
wurde durch Erheben der Arme bis über den Kopf der kleine Brust-
kasten möglichst weit ausgedehnt und dann wieder durch Senken der
Arme und Druck auf die Seitenflächen der Brust zusammengedrückt.
Mit deutlich hörbarem Geräusch drang der Luftstrom ein und aus,
aber das Kind lag blaß und leblos, wenn die beiden Mädchen er-
mattet von der Anstrengung auf Augenblicke ihre Bemühungen aus-
setzten. Eine Viertelstunde nach der andern verging; immer mehr
schwand die Hoffnung der Mutter und der Umstehenden. Endlich,
nachdem mehr als eine Stunde lang die Bewegungen fortgesetzt waren,
schrie plötzlich das junge Mädchen auf: „Jetzt hilft es! Er fängt
an zu atmen!" Und siehe da, als sie mit den Bewegungen einhielten
hob sich die kleine Brust von selbst, und eine leichte Röte färbte die
blaffen Wangen. Lauter Jubel der Umstehenden erhob sich; aber
die beiden Helferinnen ließen noch nicht nach und fetzten, obwohl
aufs äußerste erschöpft, ihre Bemühungen unablässig fort, bis die
Wangen sich lebhafter röteten und der Kleine plötzlich die Augen
aufschlug. Nun wurden auf Geheiß der jungen Samariterin die ge-
wärmten Decken herbeigebracht, in welche der Kleine nach Beseitigung
der übrigen Kleidungsstücke eingehüllt und mit denen er dann tüchtig
gerieben wurde. Der Kleine sing an zu sprechen und verlangte
etwas zu trinken. Man flößte ihm warmen Thee ein und trug ihn