1906 -
Leipzig
: Hahn
- Autor: Wehrhan, Karl, Kleineberg, W.
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1901
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde?
- Geschlecht (WdK): koedukativ
126
Kirchen oft die Sakristeien zu sein pflegen, stand hier das Maschinenhaus
mit dem eisernen, stöhnenden Ungeheuer, das seine riesigen Kräfte durch
den ganzen Raum ausströmte und Dutzende schwerer Maschinen und
hundert Menschen in Atem und Bewegung hielt. Daneben ragte der
große Schornstein auf, dessen rußige, rauchende Spitze auch zum Himmel
wies. Zwar fehlte Glockenklang und Orgelton. Aber dafür brausten
andre gewalttge Töne unaufhörlich durch die Halle: das Gehämmer und
Gefeile der Schloffer, das Ächzen und Dröhnen der Maschinen, das
Quietschen und Schlagen der Räder. Und was die schwarzen, blaukitteligen
Männer da schafften — wars nicht auch ein Gotteswerk, ein Gottesdienst?
Konnte es nicht wenigstens einer sein?
Platz war gleichwohl nicht viel in dem großen, hohen Raume. An
den Fenstern der beiden Langseiten standen die Schraubstöcke der Schloffer;
an den Säulen, die die Emporen trugen, und wo sonst immer ein ge-
eigneter Platz und halbwegs genügendes Licht sich befand, waren die
großen und kleinen Arbeitsmaschinen aufgestellt; die größte, eine gewalttge
Bohrnmschine, legte sich quer durch den ganzen Raum und war bei der
Passage und vor allem bei Transporten oft sehr unbequem und hinderlich.
Um die einzelnen Arbeitsplätze herum, am ziegelsteingepflasterten und häufig
sehr holprigen und beschwerlichen Boden lagen Eisenteile, die in Arbett
kommen sollten oder eben bearbeitet waren, in der Nähe der Schloffer
halb oder ganz ferttge Maschinen großen oder kleinen Kalibers. Hier
standen ausrangierte Stücke, in gerader Linie aufgereiht, dort lehnten
Bretter und lange eiserne Wellen. In einer Ecke war der Blasebalg, da-
neben das Terrain für die Packer; am entgegengesetzten Ende des Raumes
nahm die frühere, jetzt ausrangierte und zu einem Gelegenheitsverkaus
bereitliegende große Dampfmaschine unsrer Fabrik, in ihre einzelnen Teile
zerlegt, viel Raum ein und hinderte die Bewegungsfteihett. Ein gewalttger
Kran, viel benutzt und von zwei Mann an der Kurbel in mühsamer
Kraftaufwendung fortbewegt, lief durch den ganzen Raum, zwei kleine be-
dienten in dem Teile, den ich oben mit dem Allarplatz einer Kirche ver-
glich, die dort Arbeitenden. Unter den durch die Emporen gebildeten
Decken liefen die langen Wellen hin, die durch die Dampfmaschine in
rasender Drehung gehalten wurden und durch Riemenscheiben und die ver-
bindenden Treibriemen die allerhand kleinen und großen Arbeitsmaschinen
mit der Kraft nie ruhender Bewegung speisten. In den ersten Tagen
nach meinem Eintritt in die Fabrik vermochte ich mich nur schwer und
unsicher zwischen dem allen zurecht zu finden. Scheinbar wirr und planlos
lag, stand, bewegte sich in dem Raume alles durcheinander. Erst allmählich
sah das Auge die Ordnung, die doch herrschte, fand der Fuß die schmalen
Gänge zwischen den Maschinen hindurch, die die übliche Passage von dem
einen zum andern und durch den ganzen Raum hin bildeten und die uns
den Transport umfangreicher Stücke wegen ihrer Enge und Gewundenheii
oft sehr erschwerten. Nur an dem schon oben geschilderten fteundlicheren,
helleren Ende war es auch in dieser Beziehung bester.
Das war der Arbeitsplatz der Hundertzwanzig bis Hundertfünfzig,