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1. Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 11

1900 - Essen : Baedeker
11 Einst, als wieder die Messe in Marokko nahte, suhlte sich der Kauf- mann so krank, daß er nicht ielber mit hinüber nach Afrika fahren konnte. Da lautete sein Entschluß: „Niemand, als- Ruyter, will ich das, was ich aufs Schiss lade und in Marokko zu Markte bringe, anvertrauen." Die Vollmacht wurde ausgestellt; Ruyter erhielt standesmäßige Kleidung und Geld; das Schiss segelte ab, landete in Marokko, und Ruyter legte auf der Messe seine Waren aus, die in lauter feinem wollenen Tuch bestanden. Kommt eines schönen Morgens der Sultan selber mit einer langen Reihe von Hoflenten hinter sich' und bleibt vor Rnyters Stand stehen, be- sieht das Tuch, und ein besonders seines Stück sticht ihm in die Augen. „Was kostet 's?" fragt er. Ruyter ist nicht blöde und nennt den von seinem Herrn bestimmten Preis; der Sultan ist auch nicht blöde und bietet die Hälfte. „Bei mir gilt das Handeln nicht. Was ich fordere, ist fester Preis; auch ist 's nicht mein Eigentum. Ich bin nur meines Herrn Diener!" sagt da Ruyter. „Weißt du nicht, Christenhund," ruft da der Sultan, „daß ich Herr über dein Leben bin?" „Das weiß ich wohl," sagt Ruyter, „aber ich weiß auch, daß ich nicht überfordere, und daß ich als Diener meines Herrn die Pflicht habe, für sein Wohl zu sorgen, und nicht an mich zu denken!" Alle Kaufleute, welche dies hörten, erschraken auf den Tod. „Ade, Ruyter," dachten sie; „wenn du morgen noch eine Pfeife rauchst, so muß dein Kopf ohne Leib rauchen können.'" Der Sultan sah den hübschen, jungen Mann lange mit zornfunkelnden Augen an. Alle Welt erwartete den kurzen Bescheid: „Kopf ab!" aber er sagte: „Ich gebe dir bis morgen um diese Zeit Bedenkfrist. Hast du dich bis dahin nicht anders besonnen, so mach' dein Testament I" Damit ging er. Ruhig legte Ruyter das Stück Tuch zurück ins Gefach und erwartete andere Künden. Da stürmten die Kaufleute herbei und riefen: „Um Gotteswillen, schenk' ihm das Tuch! Schlägt er dir den Kopf ab — und das geschieht so gewiß, wie zweimal zwei vier ist — so ist dein Leben und deines Herrn ganzes Gut nebst seinem Schiff verloren! Was wird dann aus uns andern?" „Ich stehe in Gottes Hand," erwiderte Ruyter ruhig. Am andern Morgen stand er heiter lächelnd in seiner Bude. Da kommt der Sultan und macht ein Gesicht, als wollte er den Ruyter aufessen zum Frühstück, und hinter ihni geht einer, der ist blutrot angethan und hat ein breites Schwert in der Hand, mtb die Leute in Marokko kannten ihn wohl und mieden ihn wie 's Feuer. Vor Rnyters Bude bleibt der Sultan stehen und sieht ihn grimmig an. „Christenhund," ruft er aus, „hast du dich be- sonnen?" „Ja," sagt Ruyter, „nicht um einen Heller wohlfeiler geb' ich das Stück, als ich gestern gefordert. Wollt ihr mein Leben, so nehmt 's; aber ich will sterben mit reinem Gewissen und als ein treuer Diener meines Herrn!" Alle hielten den Atem an; denn der im roten Kleide besah die Klinge an seinem Richtschwert und lachte, wie der Teufel, wenn er eine Menschenseele auf schlechtem, aber sicherm Wege zur Hölle sieht. Da ändert sich plötzlich das Gesicht des Sultans und wird klar und heiter. „Bei dem Barte des Propheten!" ruft er aus, „du bist eine grund- ehrliche Seele. Ein treuerer Diener ist mir noch nicht vorgekommen, und wollte Gott, ich hätt' so einen!" Daraus wandte er sich zu seinen Begleitern und sprach: „Nehmt euch diesen Christen zum Muster!" Zu Ruyter aber sagte er: „Gieb mir deine Hand, Christ, du sollst mein Freund sein!" Er
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