1907 -
Essen Berlin
: Bachmann Baedeker
- Hrsg.: ,, Heinecke, August
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde?
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Die Entwicklung der Kruppschen Gußstahlfabrik.
Ofen hervorgeholt. Je zwei Arbeiter ergreifen einen Tiegel mit einer zwei-
armigen Zange, und von jedem Ofen bewegt sich eine Prozession nach der
Gießform hin. Jedes Paar leert seinen Tiegel in die Gießrinne aus, durch
welche das weißglühende, wasserdünne Metall in die Form rinnt, tritt dann
zur Seite, entledigt sich des Tiegels und schreitet wieder dem Ofen zu, um
etwa zehnmal denselben Gang zu machen. Binnen einer halben Stunde sind
1200 Tiegel geleert, und die Form enthält dann 54 t Tiegelstahl. Hunderte
von Arbeitern bewegen sich fast lautlos, so sicher wie eine Maschine und
doch scheinbar frei und ungezwungen; denn ein Befehl wird kaum gehört.
Ehe die gewaltige, bis 85 000 kg schwere Stahlmasse erstarrt ist, ver-
gehen S tue den. Sie enthält nicht das kleinste Gasbläschen und zeigt in allen
Teilen eine durchaus gleichmäßige Zusammensetzung. In neuerer Zeit ist es
mit Hülfe des elektrischen Stromes gelungen, Eisen ohne Berührung mit Feuer-
gasen d. h. durch Hitze ohne Feuer zu schmelzen. Dieses von dem schwe-
dischen Ingenieur Kjellin erfundene Verfahren wird wahrscheinlich auch die
Kruppsche Fabrik einführen.
In den Kanonen Werkstätten der Fabrik erblikt man gewaltige Feuer-
schlünde; die größten haben eine lichte Weite von 35 cm und eine Länge
von 14 m. Zunächst wird das Rohr vorgebohrt, indem ein fester Kern heraus-
geholt wird. Nun erfolgt das Fertigbohren des Rohres, und endlich zieht
eine besonders zu diesem Zwecke eingerichtete Maschine die spiraligen Gänge
in die Seelenwand des Rohres, durch welche die Kanone zu einer „gezogenen“
wird. Beim Abfeuern des Geschützes wird der hervorstehende Kupferrand
des Geschoßmantels durch diese Züge gepreßt. Dadurch wird das Geschoß
in eine bohrende Bewegung versetzt, so daß es sich im Fluge nicht über-
schlägt, sondern seine Spitze immer nach vorne gerichtet bleibt. Bis zum
Ende des Jahres 1901 hat die Kruppsche Fabrik beinahe 40000 Geschütze
geliefert. Nach Friedrich Müller.
*44. Die Entwicklung der Kruppschen Gufjitcihlfcibrik.
1. Dem Puddeleisen haften zwei Hauptmängel an. Da es aus der
teigigen Puddelmasse hervorgeht, so ist es aus zusammengeschweißten Fasern
verschiedener Härte zusammengesetzt; seine Struktur ist also nicht völlig
gleichartig. Nachteiliger sind aber die Schlackenreste, welche, wenn auch
mikroskopisch klein, das Puddeleisen noch durchsetzen. Jede derartige Un-
gleichmäßigkeit hat bei Werkzeugen ein Ausbrechen und baldiges Stumpf-
werden der Schneide zur Folge. Bei ganz kleinen Stahlgegenständen aber,
wie bei den Spiralfedern der Taschenuhren, muß das kleinste Schlacken-
körnchen verderblich wirken. So hat denn auch zuerst ein Uhrmacher, Hunts-
man in Sheffield, die fabrikmäßige Darstellung völlig gleichartigen Stahls in
Angriff genommen. Ums Jahr 1770 gelang es ihm nach beharrlich fortge-
setzten Versuchen, aus feuerfestem Ton Tiegel herzustellen, in welchen er
unter völligem Luftabschluß Rohstahl schmolz und längere Zeit in dünn-
flüssigem Zustand erhielt. Dadurch stieg jede Spur von Schlacke an die
Oberfläche, und das Metall wurde durchaus gleichmäßig. Zu Anfang des