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1. Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 315

1907 - Essen Berlin : Bachmann Baedeker
Zwei Zeitbilder aus der Weichselniederung. 315 *14-2. Zwei Zeitbilder aus der Ytfeichielniederung. I. 1. Ls war im Jahre 1519. Über dem Wasser der Weichsel starrte, geborsten und in riesige Lchollen zusammengeschoben, die Eisdecke. Ein lauer Westwind hatte die Landschaft mit neuem flockigen Flaum überzogen. Er deckte die kahlen Stellen der Heide und verbarg die Fährten der Wölfe und die Ltapsen der Raubvögel, die Geleise der Schlitten und die braunen Steige, welche der Fuß des Menschen gedrückt hatte. Km Ufer des Ltromes lagen die Kltstadt und Neustadt, welche den Namen Thorn führten und einem Uate gehorchten, noch durch Mauern und Tore voneinander ge[ci)ieöert; nach außen aber bildeten sie eine einige Burg mit vielen stolzen Türmen, aus drei Leiten von einem breiten Graben umgeben,' an der vierten wälzte sich unter der Eisdecke das wilde Weichsel- wasser und rüttelte an den Pfosten der langen Brücke, welche die Bürger erst vor kurzem gezimmert hatten, damit ihnen der Verkehr nach Polen beauemer sei. Dreihundert Jahre hatte dieses feste Feldlager deutscher Krveiter an der Llavengrenze bestanden. Zuerst war es von holz gewesen; dann hatten die Ansiedler sich eine Mauerrüstung aus gebrannten Steinen errichtet. Laßen die Männer von Thorn auch nicht in der größten Ltadt des Weichsellandes - denn Danzig an der Lee war mächtiger geworden - sie freuten sich doch des Vorrechts der ältesten; ihre Bürgermeister führten den Vorsitz im gemeinsamen Bat der Städte; als Glieder der Hansa waren sie heimisch auf den Kontoren von Lübeck und Brügge und übten herrenrechte an dem Ltrande von Lchonen, wo das Ltadtzeichen über den Lagerhäusern ihrer Fischer befestigt war. Sie waren Deutsche geblieben und sahen mit geheimer Verachtung auf die polnische Unordnung jenseits der Weichsel; aber auch über ihrer Ltadt schwebte gebietend der weiße Udler der Polen. Denn zur Zeit der Großväter hatte sich das ganze Weichselland von Thorn bis zur Lee gegen den ver- dorbenen deutschen Grden empört und der Krone Polen unterstellt. Überall zürnte und spottete man über den verfall des Ordens, und die wellklugen Männer von Thorn haßten den Gedanken an eine Rückkehr der tyrannischen Grdensherrschaft. Sie hofften für sich und ihre Ltadt aus dem großen polenreiche ein fröhliches Aufblühen; sie verstanden es trefflich, sich von dem Polenkönige als Belohnung ihrer Treue wertvolle Vorrechte zu erhandeln, wunderten sich aber zuweilen, daß trotz alledem ihrer Ltadt ein völliges Gedeihen doch nicht wiederkehren wollte. 2. Es war Wochenmarkt in der Fastnacht, das lustigste Frühlings- fest der Ltadt Thorn. Durch die klare Luft klang das Morgengeläut der kleinen und großen Glocken; jede der metallenen Ltimmen redete vertrau- lich dem Ltadtsohne zum Herzen; denn in jeder vernahm er den Gruß eines Schutzheiligen der Stadt, und jede hatte hohe Ltunden seines eigenen Lebens geweiht. Weit über die Dörfer und Wälder, den Ltrom entlang nach Polen hinein drang der Morgengruß der großen deutschen Burg, und das raublustige Gesindel, welches mit den Wölfen und Füchsen bei Nacht über die preußische Heide trabte, wandte sich mißvergnügt von dem Klange ab nach seinen wilden Schlupflöchern. Als die ersten Festgenossen des Tages schwärmten die Kinder aus den Häusern; sie wateten lustig im weichen Schnee und sprangen im Neigen,
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